Dr. h.c. Franz Küberl

franz-kueberlDr. h.c. Franz Küberl war über Jahrzehnte das Gesicht der Caritas und soziales Gewissen des Landes. Als Präsident der Caritas Österreich hat er die Sozialpolitik mitgeprägt, unbequeme Fragen gestellt, mit Energie und Kommunikationstalent die Blicke der Machthaber gerade dorthin gerichtet, wo man sonst gerne wegschaut.

Helfer von Gesicht zu Gesicht

Caritas steht für Nächstenliebe und Wohltätigkeit. Welche Tugenden brauchte es, um an die Spitze dieser Hilfsorganisation zu gelangen?

Kompetenz, Überzeugungskraft und Grundprinzipien des Managements. Letztere habe ich mir nach und nach angeeignet.

Wir alle kennen den Spruch „Tue Gutes und rede darüber“. Wie ist es Ihnen gelungen, die für eine karitative Einrichtung unverzichtbare Außenwirkung zu entfalten?

Ich habe immer ganz besonderen Wert auf eine verständliche Sprache gelegt und die Dinge beim Namen genannt. Auch wenn das nicht immer allen gepasst hat.

Sie waren und sind auch noch in ORF-Gremien vertreten. Hat diese Medien-Affinität die Öffentlichkeitsarbeit erleichtert?

Ja, aber die wichtigsten Voraussetzungen für gute Kommunikation sind wie gesagt Verständlichkeit und Sachkenntnis. Ohne Sachkenntnis entstehen keine Bilder, die transportiert werden können.

Sie waren über mehrere Jahrzehnte Direktor der Caritas Graz-Seckau und gleichzeitig Präsident der Caritas Österreich. Wie haben Sie diese doppelte und andere Belastungen ausgehalten?

Indem ich das sprichwörtliche Rad nicht immer neu erfunden habe. Das hat Zeit und Energie gespart. Übrigens muss der Präsident der Caritas Österreich immer auch Diözesandirektor einer Caritasorganisation sein, um sozusagen die Bodenhaftung nicht zu verlieren. Das ist eine sehr kluge statutarische Vorschrift.

Apropos Bodenhaftung: Wir alle kennen ja die mehr oder weniger gute österreichische Tradition des Schulterklopfens. Wie haben Sie sich Ihr Gespür bewahrt?

Ich habe stets großen Wert auf eine gute und offene Gesprächskultur mit meinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern gelegt. In einer Führungsposition muss man mit Kritik konstruktiv umgehen können. Ungeachtet dessen höre ich wie jeder Mensch gerne Komplimente. Kreisky hat einmal gesagt, Sie wissen gar nicht, wie viel Lob ich vertragen kann. Und das ist bei mir nicht anders.

Betrachten wir Führungspositionen in Politik, Wirtschaft oder eben bei der Caritas: Wo würden Sie da Gemeinsamkeiten beziehungsweise Unterschiede sehen?

In der Politik wie bei der Caritas geht es um das Ringen für eine möglichst gute Form der Bewältigung des Lebens. Zumindest sollte es das. Und das Evangelium kann man durchaus als Parteiprogramm der Caritas verstehen.

Frauen, Männer und Macht: Gibt’s da unterschiedliche Zugänge?

Ich sehe keine. Der positive und verantwortungsvolle Umgang mit Macht, ist für mich kein Vorrecht eines Geschlechts.

Welchen Moment in Ihrer Laufbahn würden Sie zurückblickend als besonders gelungen, als eine Art Durchbruch bezeichnen?

Gut erinnern kann ich mich beispielsweise an die Einführung der Mindestsicherung oder an sehr erfolgreiche Verhandlungen rund um den Zivildienst mit der legendären Innenministerin Prokop.

Nicht nur einmal haben Sie gesagt, Ihr schönster Erfolg wäre, wenn die Gesellschaft Einrichtungen wie die Caritas nicht mehr brauchen würde. Das ist leider nicht ganz gelungen beziehungsweise war wohl eher eine Metapher. Was sind Ihre zweitschönsten Erfolge?

Die Hilfe von Gesicht zu Gesicht wurde in den vergangenen Jahrzehnten zum Markenzeichen der Caritas. Das war und ist mir ebenso wichtig wie dass wir heute in unseren Projekten viel mehr Freiwillige haben als früher. Dazu kommen die Absetzbarkeit von Spenden, eine ganze Reihe asylgesetzlicher Prinzipien über Innovationen im Pflegebereich bis hin zur Hospizverantwortung.

Öffentliche beziehungsweise politische Karrieren enden kaum noch in der Pension. Wie gelingt ein guter Übergang?

Man muss verinnerlichen, dass Macht in einer Demokratie immer nur geliehen ist. Außerdem sollte man den Zeitpunkt seines Abgangs nach Möglichkeit selbst bestimmen.

Was würden Sie Verantwortungsträgern von morgen mit auf den Weg geben?

Dass Verantwortung mit List und Lust wahrgenommen werden muss, damit sie nicht zur Last wird. Auch braucht es Mut und Zivilcourage. Man sollte sich schon etwas trauen.

Zum Abschluss darf ich Sie um ein Resümee ersuchen…

Ich glaube fest daran, dass bei den meisten Menschen mit der Verantwortung nach und nach auch die Fähigkeit wächst, diese auszuüben. Das ist wie bei den Jahresringen der Bäume. Ungeachtet dessen sollte man aber stets in der Lage sein, seine Grenzen zu erkennen.

Danke für das Gespräch.