Antonia Gössinger

goessingerAntonia Gössinger ist Chefredakteurin der Kleinen Zeitung Kärnten und war schon vorher eine der profiliertesten Journalistinnen des Landes. Für ihre kritische und mutige Berichterstattung wurde sie 2006 mit dem begehrten Kurt-Vorhofer-Preis ausgezeichnet. Seit 2010 ist sie auch Concordia-Preisträgerin in der Kategorie “Pressefreiheit”. Hier finden Sie ihre Einschätzung zum Umgang mit der Macht.

„Macht ist nichts Verwerfliches“

Wie schafft man es in der auflagenstärksten Tageszeitung Kärntens in die erste Reihe?

Mit Überzeugung und Glaubwürdigkeit. Erstere verpflichtet mich seit jeher dem journalistischen Ethos, und zweitere ist mein wichtigstes Kapital, das mich dorthin gebracht hat, wo ich heute bin.

Ein ähnlicher Weg wie in der Politik?

Da gibt es eigentlich kein allgemeingültiges Modell. Neben Überzeugung sollten allerdings politische Kenntnis und Erfahrung mitgebracht werden. Ich habe schon viele so genannte Quereinsteiger scheitern sehen.

Das Erreichen einer Machtposition ist das eine. Wie bringt man die PS dann auch wirklich auf die Straße?

Ich bin in der glücklichen Lage trotz Managementverantwortung in der Chefredaktion meine journalistische Arbeit nicht vernachlässigen zu müssen. In der Politik ist das wegen des viel stärkeren Konkurrenzdenkens nicht so leicht. Da sollte man als Nummer Eins etwas umsetzen, hat aber gleichzeitig Druck von allen Seiten, auch aus der eigenen Partei.

Und das ständige Rampenlicht macht den Druck nicht kleiner. Wie gelingt da ein guter Auftritt?

Das Wichtigste ist Authentizität. Es gibt nichts Schlimmeres als übercoachte und phrasendreschende Politiker.

Eine Führungsfunktion über Jahrzehnte bringt ein hohes Maß an Belastungen mit sich. Wie hält man das durch?

Vor allem mit Freude am Beruf. Obwohl unsere Themen nicht immer angenehm sind, gehe ich doch jeden Arbeitstag gerne in die Redaktion. Das ist schon so, wie es ein Politiker einmal gesagt hat: Wir Journalisten sind wie Zirkuspferde. Wenn wir die Trompeten hören, dann legen wir los.

Ab einer bestimmten Höhe der Hierarchie gibt es oftmals wenig bis kein Feedback. Wie bewahrt man sich da sein Gespür?

Ich habe die Erfahrung gemacht, dass man mit einer Kollegin anders spricht als mit der Chefredakteurin. Aber zum Glück existiert bei uns in der Zeitung mit den Redaktionskonferenzen ein Korrektiv, wo die Dinge auf den Tisch kommen und Meinungsverschiedenheiten offen ausgetragen werden. Ohne Rücksicht auf Rang und Namen. Dennoch gibt es auch bei uns Journalisten die Gefahr, dass man entweder im Elfenbeinturm verharrt oder nur mehr in gewissen Kreisen verkehrt. Ich tue mir da eher leicht, da ich am Land wohne und die Stimmungslage, die Sorgen der Menschen hautnah mitbekomme.

Deine Empfehlung an die Politiker lautet also „unter die Leute gehen“?

So ist es. Ein Politiker muss das Gespräch mit den Menschen suchen. Fairerweise muss man dazusagen, dass einem die Leute dann aber schon die Wahrheit ins Gesicht sagen müssen. Denn es gibt halt leider sehr viele Ja-Sager und Schulterklopfer.

Haben Frauen und Männer einen ähnlichen Zugang zur Macht? Wie ist da deine Wahrnehmung?

Frauen sind zumeist sachorientierter, Männer dafür lockerer und selbstbewusster. Dennoch orte ich im Führungsverhalten keine großen Unterschiede. Das wirkliche Problem ist die gläserne Decke in unserer Gesellschaft, an die viele Frauen im Laufe ihrer Karriere stoßen. Ich bin deshalb seit wirklich frühester Jugend eine massive Verfechterin von Quotenregelungen, und das auf allen Ebenen.

Hat es auf deinem Karriereweg eine Situation gegeben, wo du gespürt hast, das war jetzt eigentlich der entscheidende Durchbruch zur Anerkennung?

Ganz früh sogar. Und das kam so. Als junge Journalistin durfte ich den damaligen Landeshauptmann Leopold Wagner auf einer Wahlreise begleiten. Am Autotelefon, für mich damals eine Sensation, kamen immer wieder vertrauliche Anrufe herein, unter anderem vom damaligen Bundeskanzler Bruno Kreisky. Und Wagner hat nach fast jedem Telefonat zu mir gesagt: „Dirndl, das schreibst du aber nicht, gell“. Zurück in der Redaktion, habe ich dann meinem damaligen Chefredakteur, dem Herrn Heinz Stritzl, von den vielen interessanten Geschichten erzählt, die ich alle nicht schreiben sollte. Der aber hat gesagt: „Alles das schreiben Sie“. Was ich dann auch getan habe. Ab diesem Tag hat mich der Landeshauptmann als ernsthafte Journalistin wahrgenommen.

Zurück zur heutigen Politik. Wie gelingt da ein guter Ab- beziehungsweise Übergang ins Berufsleben?

Politiker wären gut beraten, um nicht zu sagen verpflichtet, potenzielle Nachfolgerinnen und Nachfolger aufzubauen, um so im Fall des Falles einen nahtlosen Übergang zu gewährleisten. Schließlich kann abseits von Wahlen jederzeit etwas passieren. Aber das erlebt man halt leider selten. Eher das Gegenteil. Nämlich das bewusste Kleinhalten des Umfelds. Viele wollen nach ihrem Abgang halt auch abgehen. Und der Übergang ins Berufsleben, beispielsweise in ein Unternehmen, wird meiner Ansicht nach vor allem durch das schlechte Image der Politiker erschwert.

Auf deine Arbeit bezogen: Wo hast du schon Spuren hinterlassen können?

Ich hoffe sehr, der jüngeren Kollegenschaft vorgelebt und bewiesen zu haben, wie wichtig und wie unverzichtbar Glaubwürdigkeit und Unabhängigkeit für unsere Arbeit sind.

Journalistisch zugespitzt: Welche Schlagzeile über deine Person hättest du gerne bei deinem nächsten runden Geburtstag?

Sechzig Jahre und kein bisschen leiser.

Was würdest du Verantwortungsträgern von morgen gerne ins Stammbuch schreiben?

Dass sie Grundsätzen verpflichtet sind, und ihre Funktionen, welche auch immer, kein Selbstzweck sein dürfen.

Abschließend darf ich dich noch um ein Schlussstatement ersuchen…

Macht ist nichts Verwerfliches. Man muss nur verantwortungsbewusst damit umgehen.

Danke für das Gespräch.