Dr. Peter Ambrozy

ambrozyDr. Peter Ambrozy war Landeshauptmann von Kärnten, hat als Spitzenpolitiker einige Höhen und Tiefen erlebt. Seit fast 20 Jahren ist er auch Präsident des Roten Kreuzes Kärnten und heute ein prominenter Vertreter der Zivilgesellschaft. Ein spannender Rückblick zum runden Geburtstag.

„500 Stimmen mehr, und Kärnten wäre viel erspart geblieben“

Wie hast du es in die erste Reihe der Politik geschafft?

Für die erste Reihe müssen immer mehrere Faktoren zusammenspielen: Zufall, persönliches Streben und Wollen, Unterstützung und Chancen durch Dritte sowie das entscheidende Quäntchen Fortune, das mir leider manchmal gefehlt hat.

Damit meinst du die berühmt-berüchtigten 500 Stimmen…

Unter anderem. Bei der Landtagswahl im Jahr 1989 ist ja schmerzhaft der Beweis erbracht worden, dass wirklich jede Stimme zählt. Schließlich waren es rund 500, die damals der SPÖ die absolute Mehrheit und den Landeshauptmannsessel gekostet haben. Ein paar hundert Stimmen haben so die politische Landschaft in Kärnten und Österreich nachhaltig verändert – und wahrscheinlich wäre, wenn es damals diese 500 Stimmen mehr gegeben hätte, dem Land Kärnten viel erspart geblieben.

Wenn man die erste Reihe einmal erreicht hat: wie können Machtpositionen gehalten und genutzt werden?

Mit Kompetenz, Selbstdisziplin und einem gewissen Grad an Selbstbewusstsein. Man muss von sich und seinem Tun schon überzeugt sein, um andere mitreißen zu können. Zudem braucht es gute Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die ich glücklicherweise immer hatte.

Eine Facette politischer Arbeit ist die zweite Realität, die Realität der Medien. Wie gelingt Wirkung im Scheinwerferlicht?

Generell gilt, dass man in einer Demokratie die Medien braucht, weil man die Unterstützung der Menschen braucht. Da gibt es ja den berühmten Gag von einem Boxer, der auf die Frage, was er als Profi den ganzen Tag macht, antwortet: Den halben Tag trainiere ich hart. Und auf die anschließende Frage, was er den restlichen halben Tag macht: Da muss ich unter die Leute, um ihnen zu erzählen, wie gut ich bin. Genauso ist es auch in der Politik. Dazu kommt, dass Medien neben den Fakten ganz stark am Unterhaltungswert von politischen Vorgängen interessiert sind. Das muss man sich immer vor Augen halten und damit habe ich mir vielleicht nicht immer so leichtgetan, wie manch anderer.

Du giltst heute noch als Musterbeispiel für Fleiß und Selbstdisziplin. Wie hast du den jahrzehntelangen Druck und die Belastungen durchgehalten?

Glücklicherweise verfüge ich über das notwendige Nerven- und psychische Korsett. Auch habe ich mir in meiner doch sehr sportlichen Jugend eine gewisse Grundkondition erarbeitet, die mir später erlaubt hat, über weite Strecken mit maximal vier Stunden Schlaf auszukommen.

In Spitzenpositionen ist man schnell einmal von Schulterklopfern umgeben. Wie bist du immer wieder zu halbwegs realistischen Rückmeldungen gekommen?

Viel Kontakt mit Menschen bringt auch viel Feedback. So habe ich das immer gehalten. Man muss die Rückmeldungen nur analysieren und filtern, dann bekommt man auch ein annähernd realistisches Bild. Entscheidend ist außerdem, dass Politik in nachvollziehbaren und verständlichen Schritten gemacht wird. Ab dem Augenblick, wo das nicht mehr gewährleistet ist, schalten die Menschen ab, und dann kriegt man im schlechtesten Fall gar kein Feedback mehr.

Du warst in zahlreichen Spitzenpositionen in der Politik und bist immer noch Präsident des Roten Kreuzes Kärnten. Worin unterscheiden sich Führungsaufgaben in Politik, Wirtschaft oder in der so genannten Zivilgesellschaft?

Das Entscheidende ist immer, dass im Mittelpunkt aller Überlegungen der Mensch stehen sollte. Und ich denke, dass hier auch schon das große Unterscheidungskriterium vorliegt. Wenn wir uns nämlich heute bestimmte Entwicklungen in der Wirtschaft oder in der Weltpolitik ansehen, dann muss man leider zum Schluss kommen, dass der Mensch eigentlich nichts mehr zählt, dass Zahlen oder Ideologien wichtiger sind als Menschenleben, als das Glück der Menschen.

Weshalb scheitern doch recht viele so genannte Quereinsteiger, die aus der Wirtschaft in die Politik kommen?

Weil auch politisches Arbeiten erlernt werden muss. Und weil Demokratie Zeit und Diskurs braucht, um am Ende zu einem Ergebnis, oftmals einem Kompromiss, zu kommen. Politische Entscheidungsprozesse sind in der Regel von viel mehr Faktoren und Imponderabilien beeinflusst als wirtschaftliche. Wir haben ja auch eine Reihe von durchaus herzeigbaren Wirtschaftspersönlichkeiten, die in regelmäßigen Abständen mit kräftigen Sprüchen auf die Politik losgehen und dadurch die Politikverdrossenheit schüren, während sie selbst ähnlich Diktatoren in ihren Betrieben herrschen können. Das ist jetzt auch übertrieben, aber nur damit man die Dinge klarer sieht.

Was waren Durchbrüche in deiner politischen Karriere?

Sicherlich das Kulturförderungsgesetz, das ich im Jahr 1989 nach einer breiten Diskussion mit allen Kulturtreibenden auf den Weg gebracht habe, und das mit geringen Änderungen bis heute funktioniert. Oder das Aufholprogramm im Bereich der Kinderbetreuung, das ich als Kindergarten- und Gemeindereferent gestartet und umgesetzt habe. Und ein ganz wesentlicher Bereich ist für mich auch heute noch die gesamte Gesundheitspolitik, die ich eine Zeitlang zu verantworten hatte. Das sind drei so Highlights. Mehr will ich auch gar nicht aufzählen, weil das möglicherweise falsch rüberkommen würde.

Als Leiter des Renner Institutes hatte ich einmal den ehemaligen SPD-Ministerpräsidenten Björn Engholm zu Gast. Von Journalisten gefragt, ob er denn nicht Lust hätte, wieder in die Politik einzusteigen, hat er geantwortet: We’llnevercome back. Bei dir hat das nicht gegolten. Du hast es geschafft, diese Regel aus der Boxwelt zu durchbrechen und bist zurückgekommen…

Also so martialisch will ich die Politik nicht sehen. Es gibt Gründe, warum jemand ausscheidet. Und es gibt genauso Gründe, warum jemand wieder in die Politik einsteigt. Das ist ja auch schon mehrfach passiert. Bei mir sind damals zwei Gründe zusammengekommen: Erstens wollte ich zurück und zweitens musste ich zurück, denn die Partei war in einer sehr schwierigen Situation.

Welchen Satz oder welche Überlegung würdest du Verantwortungsträgern von morgen mit auf den politischen Weg geben?

Wenn du das Glück hast, Verantwortungsträger und Gestaltungsträger zu sein in der Politik, dann versuche nach Möglichkeit, immer authentisch zu bleiben und denke immer daran, dass die Wahrheit am Ende doch siegt.

Darf ich dich noch um eine Schlussbemerkung ersuchen?

Ich möchte eigentlich alle, vor allem junge Menschen, ermuntern, sich dem politischen Geschehen zu widmen und alles zu tun, um Diskussionsmöglichkeiten, wo immer sie sich eröffnen, zu nutzen, aber auch, und das ist ganz entscheidend, dafür zu kämpfen, dass Diskussion immer möglich ist.

Danke für das Gespräch.