Dr. Gaby Schaunig

schaunigGaby Schaunig ist Landeshauptmann-Stellvertreterin in Kärnten. Als Finanzreferentin hat sie den größten Finanzskandal in der Geschichte des Bundeslandes abgearbeitet, den andere verursacht haben. Mit Konsequenz und ohne faule Kompromisse gewinnt sie seit Jahren Respekt und Anerkennung.

„Bis hierher und nicht weiter“

Wie gelingt der Einstieg in die erste Reihe der Politik?

Die Planbarkeit für manche Funktionen ist eher begrenzt, und ich glaube, eine der wichtigsten Dinge ist, ja zu sagen, wenn man gefragt wird. Gerade Frauen tendieren sehr oft dazu, zu lange zu überlegen, die eigenen Fähigkeiten in Zweifel zu ziehen, und dann ist das Window of opportunity oft schon wieder geschlossen. Man sollte mitunter mutiger sein, Chancen zu ergreifen. Was man dann daraus macht, ist die zweite Geschichte.

Das führt direkt zur nächsten Frage: In eine Funktion zu kommen, ist das eine, ins Gestalten zu kommen, die von dir so genannte zweite Geschichte.

Ich glaube, eine der größten Herausforderungen ist es, die fachliche Autorität unter Beweis zu stellen. Das ist eine sehr langwierige und nachhaltige Arbeit, die mit viel Konsequenz verbunden sein muss. Diese Autorität auf fachlicher Ebene und ein loyales Team, das hilft, die Ideen umzusetzen, das sind für mich die zwei Grundpfeiler.

Aber die fachliche Kompetenz, die kann man ja schwer mitbringen. Man lernt ja nirgendwo Regieren. Auch in den berühmten ersten 100 Tagen nicht. Wie hast du das geschafft?

Ich möchte an die 100 Tage anknüpfen. Denn meiner Erfahrung nach, hat man am Anfang schon so eine bisschen eine Atempause und einen Vertrauensvorschuss. Diese sozusagen Schonfrist gilt es dann für konsequentes Einarbeiten in die Inhalte und Themen zu nutzen. Neben einem gewissen Grundwissen braucht man also die Fähigkeit, sich intensiv mit Dingen zu beschäftigen und Neues anzueignen.

In einer Spitzenfunktion, vor allem in der Politik, steht man ständig im Scheinwerferlicht der Medien. Wie gelingt dort Wirkung?

Das ist zum Teil gewöhnungsbedürftig, vor allem wenn man relativ jung in eine Führungsposition kommt. Aber man kann alles lernen, und es gehört für mich zur Berufsselbstverständlichkeit einer Politikerin oder eines Politikers, sich das Handwerkszeug für die Kommunikation und öffentliche Präsentation anzueignen.

Wichtig ist meiner Ansicht nach auch noch die Glaubwürdigkeit…

Dafür braucht man Grundsätze und Werthaltungen, für die man steht, und die man dann auch konsequent durch die eigene Arbeit trägt. Da Kompromisse zum politischen Alltag gehören, ist das nicht immer leicht, aber dennoch gilt es immer ganz klar eine Grenze zu ziehen, wo etwas mit den eigenen Prinzipien nicht mehr vereinbar ist.

Ich habe dich als jemanden erlebt, der auch in Extremsituationen enorm gut mit Druck und Belastungen umgehen kann. Wie hast du das geschafft?

Einerseits mit guten physiologischen Grundvoraussetzungen und andererseits mit guter Vorbereitung. Zweiteres ist das beste Mittel, um auch wirklich ruhig zu bleiben. Das habe ich vor allem in der letzten Phase der HETA-Abwicklung gelernt.

Apropos HETA: Du hast ja den größten Finanzskandal in der Geschichte des Bundeslandes prominent abarbeiten müssen, den andere verursacht haben. Wie ist es dir in dieser Phase gegangen?

Das war sicher eine Stressphase, die mit nichts anderem in meiner beruflichen Laufbahn vergleichbar ist. Schließlich war das Schicksal ganz Kärntens vom Ausgang der Verhandlungen abhängig. Mit guter Vorbereitung, den besten Beratern, einem loyalen Team und dem ab und zu notwendigen Freiraum haben wir es aber erfolgreich hinbekommen.

Erfolg wird zwangsläufig von Schulterklopfern begleitet. Wie hast du es geschafft, zu halbwegs realistischen Rückmeldungen zu kommen?

Es ist schwierig, das selbst zu beurteilen, weil natürlich jeder Mensch geneigt ist, bestätigende Rückmeldungen als die einzig wahren dieser Welt zu akzeptieren. Meine ehrlichsten und manchmal härtesten Kritiker waren und sind die Familie, mein Team und mein Freundeskreis. Auch im täglichen Diskurs mit den Menschen, hole ich mir andere Meinungen ein. Mittlerweile führen selbst total gegensätzliche Positionen dazu, dass ich meine eigene Anschauung noch einmal hinterfrage. Das war früher nicht ganz so.

Wirtschaft und Politik, du kennst beide Seiten, wo gibt es da Gemeinsames, wo siehst du Unterschiede?

Ich denke, es gibt viel Gemeinsames. Strukturen größerer Organisationen funktionieren durchaus ähnlich und die Entscheidungsprozesse, auch wenn man glaubt, dass die Wirtschaft hier rationaler abläuft, sind durchaus vergleichbar. Emotionen sind hie und da  ein großer Faktor, und das sollte man nie unterschätzen. Der große Unterschied ist, dass man in der Privatwirtschaft im Regelfall mehr Ruhe und Zeit für Entscheidungen hat, während in der Politik sehr oft großer medialer Druck da ist.

Haben Frauen und Männer ähnliche oder andere Zugänge zu Macht?

Da gibt es durchaus Unterschiede. Frauen sind generell etwas unaufgeregter und die Selbstdarstellung ist nicht so ausgeprägt. Zweiteres ist dann oft ein Nachteil, weil Chancen nicht ergriffen werden, wie eingangs schon erwähnt.

Gab es in deiner Karriere einen Moment, den du im Nachhinein als sehr entscheidenden Durchbruch empfinden würdest?

Meinen ersten Ausstieg aus der Politik. Die Fähigkeit, wenn Grenzüberschreitungen stattfinden, auch ganz klar zu kommunizieren: bis hierher und nicht weiter.

Normalerweise gilt ja „They never come back“. Du bist da eine von sehr wenigen Ausnahmen. Wie können solche Übergänge gelingen, vor allem der Ausstieg? 

Man braucht Mut, sich auf etwas Anderes einzulassen und Freude an der neuen Herausforderung. Ich habe das Glück gehabt, dass der Ausstieg ganz wunderbar gelungen ist. Das sind Jahre, die ich nicht missen möchte, und die mir in meiner jetzigen Funktion zugutekommen.

Was zählt ist, was bleibt: Gibt es so Dinge, wo du dir vorstellen könntest, schon jetzt die eine oder andere Spur hinterlassen zu haben?

Also die Abwicklung der HETA ist sicher so ein Thema, wo Kärnten wirklich nahe an einem Abgrund gestanden ist. Das ist einem Team zu verdanken, aber ich glaube, das ist durchaus eine Spur, die bleiben wird.

Was würdest du künftigen Verantwortungsträgerinnen und -trägern mit auf den Weg geben?

Chancen ergreifen, wenn sie geboten werden und sich dann von niemandem sagen lassen, wie man die Dinge gestalten soll.

Danke für das Gespräch.