Mag. Dr. h.c. Monika Kircher
Monika Kircher war in Non-Profit-Organisationen tätig, Vizebürgermeisterin der Stadt Villach und Vorstandsvorsitzende von Infineon Austria. In ihren Funktionen gilt sie bis heute als Vorbild für Frauen und Männer. Zum runden Geburtstag ein Resümee über beeindruckende Erfahrungen.
„Führung beginnt bei sich selbst“
Wie ist dir der Einstieg in die erste Reihe von Politik und Wirtschaft gelungen?
Ich hatte immer das Glück, dass es Menschen gab, die an mich geglaubt und mir Türen geöffnet haben. Ich war ja eher die Frau, die eingeladen werden wollte. Der Rest war harte Arbeit. Geholt wurde ich wegen meiner Persönlichkeit und Führungsqualitäten. Führung beginnt schließlich immer bei sich selbst, in der Politik, im Unternehmen, aber auch in der Zivilgesellschaft.
Eine Machtposition zu erreichen, ist das eine. Diese dann auch auszufüllen, das andere…
Ich bin an jede Aufgabe mit Respekt herangegangen. Damit meine ich vor allem, dass ich mir beim Einarbeiten Zeit gelassen habe. Und da rede ich bei komplexen Herausforderungen von ein bis zwei Jahren. Parallel dazu gibt es natürlich auch Dinge, die man sofort entscheiden muss.
Komplex ist auch die Welt der Medien: Wie bist du mit dem Scheinwerferlicht umgegangen?
In der Politik ist die Abhängigkeit vom medialen Bild viel größer als in der Wirtschaft. Täglich überrascht zu werden von Themen, die irgendjemand für wichtig hält, ist nicht die Welt der Industrie. Ohne die Bedeutung von Kommunikation für ein börsennotiertes Unternehmen schmälern zu wollen.
Die Politik wird ja generell eher vom Tagesgeschäft dominiert…
Ja, leider. Dabei wäre es in der Politik genauso wie in einem großen Industrieunternehmen extrem wichtig, strategisch zu agieren. Zuerst zu wissen, wo will ich langfristig hin, wo unterscheide ich mich von anderen, wo sind die Stärken und wo gibt es Bedrohungspotentiale? Auf dieser Basis erst kann ich dann aus mehreren Optionen möglichst belastbare kurzfristige Entscheidungen treffen.
In der Politik und im Topmanagement ist es schwierig, ehrliches Feedback zu bekommen. Wie ist es dir gelungen, nicht nur von Ja-Sagern umgeben zu sein?
In der Politik habe ich immer versucht, zwischen meiner Funktion und meiner Person zu trennen, um die Hemmschwelle für Rückmeldungen zu senken. In der Wirtschaft hatten wir dann ein ausgeklügeltes Feedback-System, das fixer Bestandteil des Personalentwicklungsprozesses war.
Wie hast du es geschafft, über Jahrzehnte mit Druck und Belastungen umzugehen?
Ich unterscheide zwei Arten von Druck: die unter Anführungszeichen normalen Belastungen, die ein Spitzenjob mit sich bringt, und den kränkenden Druck, der vor allem in der Politik zu finden ist. Zweiteren habe ich viel schlechter ausgehalten. Zumal ich ein Mensch bin, der mit seiner persönlichen und familiären Privatsphäre gerne in Ruhe gelassen wird.
Wirtschaft und Politik: Gibt es da viele Gemeinsamkeiten?
In unserer Gesellschaft beginnt alles mit dem Thema Eigenverantwortung. Egal ob als Bürgerin, Unternehmenschefin oder Funktionärin in der Politik, letztlich ist es entscheidend, wie ich mich selbst verhalte.
Führung schließt ja immer auch unpopuläre Maßnahmen mit ein, beispielsweise Stellenabbau in Krisenzeiten…
Das waren sicher die bittersten Phasen an der Spitze. Weil es aber um die Zukunft des gesamten Unternehmens ging, konnte ich trotzdem noch in den Spiegel schauen. Infineon steht heute so gut da, weil wir eine langfristige Strategie hatten und kurzfristig taten, was wir tun mussten.
Du hast dich immer dafür eingesetzt, dass Frauen Verantwortung übernehmen: Ist der weibliche Zugang zu Macht ein anderer?
Ich glaube, wir befinden uns in einer Phase, in der die typisch männlichen und weiblichen Rollenbilder mehr und mehr verschwimmen. Trotzdem gibt es die gesellschaftspolitisch tradierten Klischees noch. Wir sind da sicher weiter hinten als andere Länder. Wir brauchen nach wie vor Frauen, die bereit sind, sich aus der Komfortzone zu begeben. Und wir brauchen Männer, die ihre männlichen Netzwerke öffnen und bei Eignung und Leidenschaft dafür in Frauen-typische Berufe gehen wie Pflege oder Frühkind-Pädagogik.
Auf deinem Weg: Was waren entscheidende Durchbrüche, wo du gespürt hast, da ist wirklich etwas Schönes gelungen?
Die Geburten meiner Kinder möchte ich als erstes nennen. Das waren unfassbar schöne Erlebnisse und große Geschenke. Beruflich waren es vor allem jene Phasen, in denen ich mich aus der Komfortzone hinausgewagt habe. Ich habe auch öfter mal Nein zu sehr guten beruflichen Angeboten gesagt. Meistens im Interesse der Familie. Auch darauf bin ich im Nachhinein stolz. Das sind sehr entscheidende Momente gewesen und ich bin dankbar, dass ich derer viele hatte und auch das Gefühl, ich bin nicht Opfer meines Lebens, ich entscheide selbst.
Durchaus stolz sein, kannst du auch auf deine selbstbestimmten Abschiede aus Politik und Wirtschaft. Wie gelingen solche guten Übergänge?
Erstens sollte man nicht alles dem Job unterordnen, sein Privatleben nicht vernachlässigen und Freundschaften pflegen. Darüber hinaus muss man sich ständig vor Augen halten, dass jeder mehr oder weniger seines Glückes Schmied ist. Denn wir leben in der luxuriösen Situation in Mitteleuropa, dass wir letztlich alle mehrere Optionen haben. Manchmal fehlt einfach nur der Mut, Neues auszuprobieren.
Welchen Tipp würdest du den Verantwortungsträgern von morgen noch mitgeben, außer, Neues auszuprobieren?
Dass sie den Druck rausnehmen sollen, sich nichts dreinreden lassen und ihre Jugend genießen. Mit 25 darf man noch Fehler machen, und muss nicht gleich mit drei abgeschlossenen Studien in eine Führungsposition gehen.
Danke für das Gespräch.