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Dr. Franz Fischler

Franz FischlerFranz Fischler war Landwirtschaftsminister und nach dem EU-Beitritt Österreichs erster Kommissar im mächtigen Agrarressort in der Europäischen Kommission. Heute ist er Präsident des ‚Europäischen Forums Alpbach. Der heimatverbundene Tiroler und Europäer hat bis heute viel zu sagen.

Ohne Leadership gerät Europa in Gefahr

Sie haben schon im Alter von 14 Jahren Verantwortung auf dem elterlichen Bauernhof tragen müssen. Ein Musterbeispiel für Bodenständigkeit und doch immer über den Tellerrand hinaus geblickt?

Das eine schließt das andere nicht aus. Wenn man in einem Gebirgsland zu Hause ist, muss man bereit sein, den Gipfel zu ersteigen. Dort lernt man Weitblick. Dieses Bild besagt, dass man sich anstrengen muss, wenn man größere Zusammenhänge erfassen möchte. Diese haben mich immer interessiert. Ohne die Fähigkeit, Dinge strategisch anzugehen wäre es mir wohl nie gelungen, im Jahr 2003 die größte Agrarreform durchzuziehen, die es jemals in der Geschichte der EU gegeben hat.

Damals war das Agrarressort eines der mächtigsten in der EU?

Ja, es war aus zwei Gründen von besonderer Bedeutung. Das Agrarressort hatte das größte Budget in der Union und die Agrarpolitik wurde nach einem speziellen Gesetzgebungsverfahren beschlossen. Beides hat sich mittlerweile verändert.

In Ihrer zweiten Amtsperiode haben Sie die Fischerei dazubekommen, das war schwierig?

Das stimmt. In der Fischerei hat es immer Streit gegeben. Gegen die Fischer waren die Bauern ja noch „Heilige“. Trotzdem ist es mir, als Bürger eines „landlocked Country“, gelungen, auch die erste Reform der Fischereipolitik in der Geschichte der Union zustande zu bringen.

Wie sind Sie in die Politik hineingewachsen?

Das ist über Nacht geschehen. Ich war in Tirol als Direktor der Landwirtschaftskammer tätig. Da hat mich der damalige Parteichef Josef Riegler angerufen und gefragt, ob ich bereit wäre, das Landwirtschaftsministerium zu übernehmen. Ich bin aus allen Wolken gefallen. Riegler hat mir nur eine Nacht für die Entscheidung gelassen. Das war sehr schwierig, weil man das Ministeramt ja vorher nirgends ausprobieren kann, und daher auch nicht wissen kann, ob man diese Funktion auch ausfüllen kann.

Wie kann man seine Position in einem politischen Amt festigen?

Da gibt es nur ein Kriterium und das heißt Erfolg. Solange Sie Erfolg haben, können Sie ihre Machtfunktion behalten. Wenn Sie keinen Erfolg mehr haben, können Sie noch so klug sein, das wird Ihren Abstieg nicht verhindern. Ohne Erfolg kann sich in der Politik niemand halten.

War Brüssel ein Quantensprung nach dem Ministeramt?

Das kann man wohl behaupten. Man sieht das allein schon an den unterschiedlichen Dimensionen. Österreich hatte damals 7,5 Millionen Einwohner, Europa an die 300 Millionen, das war ja noch vor der Erweiterung. Österreich hatte weniger als 300.000 Landwirte, die EU 7 Millionen.

Wie konnten Sie sich als Neuer in Brüssel durchsetzen?

In der Union braucht man für jede Entscheidung einen Beschluss der Kommission, es gibt keine Einzelkompetenz wie bei einem Minister. Deshalb sind dann auch diejenigen Kommissare stark, die nicht nur in ihrem eigenen Bereich glänzen, sondern sich auch in anderen Portefeuilles auskennen. Deshalb bildet sich da recht bald eine Crew von starken Kommissaren. Und die verbindet eine intensive Kommunikation.

In welchen über den eigenen Wirkungsbereich hinausreichende Feldern waren Sie besonders aktiv?

Da erwähne ich als erstes die Regionalpolitik, wo es ebenfalls um viel Geld gegangen ist. Aus österreichischer Sicht musste ich mich auch für das Transportwesen und die Transitproblematik interessieren. Eingebracht habe ich mich auch in Fragen der Verwaltung und des Personals. Gemeinsam mit Kommissar Neil Kinnock und einigen weiteren Kollegen haben wir im Jahr 2004 eine große administrative Reform auf die Beine gestellt, die heute noch in Kraft ist.

Wie ist es Ihnen gelungen, in Brüssel Wirkung zu erzielen?

In der Verwaltung ist man mehr als sonstwo auf Motivation angewiesen. Wenn Sie als Unternehmer mit einem Abteilungsleiter nicht einverstanden sind, trennen sie sich von ihm. Das ist in der Verwaltung selten oder gar nicht möglich. Deshalb müssen Sie motivieren und dazu gehört Kommunikation. Da geht es nicht nur um Ihre MitarbeiterInnen, sondern vor allem um die Bürger. Sie müssen das Gefühl bekommen, dass sie informiert sind, dass man es gut mit ihnen meint und dass man ihre Anliegen ernst nimmt.

Wo ist es schwieriger Medienarbeit zu machen als Minister oder als Kommissar?

Das ist als Kommissar ungleich schwieriger, weil man es mit sehr verschiedenen Sprachen, kulturellen Hintergründen und Emotionen zu tun hat. Wenn Sie jemandem etwas erzählen wollen, brauchen Sie Bilder. Aber das Bild, das ein Spanier im Kopf hat ist nicht dasselbe das ein Brite oder ein Österreicher sieht. Deshalb habe ich vor jedem Reformvorschlag aus jedem EU-Land einen führenden Beamten nominiert, der in seinem Heimatland meine Reformideen als Reformbotschafter vermitteln konnte.

Hat Ihnen dabei Ihre Erscheinung als Typ mit starken Tiroler Wurzeln geholfen?

Natürlich ist es hilfreich, wenn man sich nicht wie ein Schilfrohr im Wind verbiegt, sondern in sich eine gewisse Ruhe und ein starkes Selbstbewusstsein trägt. Die Leute lieben es überhaupt nicht, wenn jemand unsicher wirkt.

Hat es für Sie als EU-Kommissar besondere Erfolgserlebnisse gegeben?

Da muss man wohl die große Landwirtschaftsreform im Jahr 2003 nennen. Nachdem diese erfolgreich war, habe ich sogar mehrere Einladungen in die USA bekommen mit der Bitte, dort zu erklären, wie man eine solche Reform macht. Sie haben offen zugegeben, dass sie da Schwierigkeiten haben. Mein Motto war: Angriff ist die beste Verteidigung. Das haben die Bauern am Anfang nicht gerne gehört, weil die wahnsinnig gut im Verteidigen sind. Mit der Zeit haben sie mir jedoch mehrheitlich recht gegeben.

In Spitzenpositionen ist man Druck und Belastungen ausgesetzt- Schlafmangel, endlose Sitzungen. Wie kann man das auf Dauer durchhalten?

Meine längste Verhandlung hat 42 Stunden gedauert mit einer Pause von einer Stunde.  Das zehrt natürlich an der Substanz. Durchhalten kann man das nur mit viel Disziplin. Man muss diszipliniert sein in jeder Hinsicht, muss sogar aufpassen, was man isst und trinkt.

Wie geht man damit um, dass das Feedback den Funktionsträger nur in sehr gefilterter Form erreicht?

Das beste Korrektiv, das man haben kann, ist ein gutes Kabinett. Deshalb war ich immer sehr sorgfältig bei der Auswahl meiner engsten MitarbeiterInnen. Ja-Sager haben mich überhaupt nicht interessiert. Ich habe immer Wert darauf gelegt, Leute um mich zu haben, die unabhängig sind und selbständig denken können. Deshalb war ich auch der erste Kommissar, der ein wirklich internationales Kabinett gehabt hat. Präsident Romano Prodi hat meine Kabinettstruktur dann sogar zur Regel für Alle gemacht.

Als Resümee: Wie kann man Mensch bleiben und doch Erfolg haben in einer Spitzenposition?

Der Erfolg hängt am eigenen Vermögen und an der Bereitschaft, auch Macht auszuüben. Mensch bleibt man, indem man Korrektive akzeptiert und nie vergisst, dass es auch jenseits der Politik ein Leben gibt.

Danke für das Gespräch.

Karl Blecha

Karl BlechaKarl Blecha war legendärer Zentralsekretär der SPÖ, Manager erfolgreicher Wahlkämpfe und enger Wegbegleiter Bruno Kreiskys. Er war Innenminister und hat nach seinem Ausscheiden das politische Comeback geschafft. Heute ist er Präsident des Österreichischen Seniorenrates und des Pensionistenverbandes Österreichs.

Unverändert veränderungswillig

Wie ist dir der Einstieg in die erste Reihe der Politik gelungen?

Parteipolitisch sozialisiert wurde ich unmittelbar nach der Gründung der Zweiten Republik. Der eigentliche Beginn meiner Karriere war aber der Verband sozialistischer Mittelschüler, den ich mitbegründet habe. Der österreichische Bundespräsident Dr. Heinz Fischer und zahlreiche Mitglieder der Bundesregierung sind aus dieser Organisation hervorgegangen.

Sehr bald bist du dann auch mit Bruno Kreisky in Kontakt gekommen…

Ich habe ihn im Jahr 1952 bei einem Vortrag kennengelernt. Kurz darauf wurde ich nach Schweden eingeladen, um mit ihm an einem Buch zu arbeiten. Und ein Jahr später war er dann auch schon Staatssekretär im Bundeskanzleramt und bald danach der erste Außenminister der Republik.

Du warst ja auch eine Art Außenminister, nämlich im Rahmen der Sozialistischen Internationale…

Wir jungen Linken waren von der antikolonialen Revolution begeistert. Wir haben Freiheitsbewegungen in aller Welt bewundert und manche unterstützt. Vor allem in Mittelamerika, Afrika und Asien. Konkret habe ich schon als Schülerfunktionär aktiv gegen die Werbemethoden der Fremdenlegion in der französischen Besatzungszone gekämpft, deren Hauptquartier eine Kaserne in Hütteldorf war.

Wie ist es dann nach dem Buchprojekt gemeinsam weitergegangen?

Ich war in der empirischen Wahlforschung tätig und habe Kreisky auf seinem Weg zum Bundesparteivorsitzenden und Bundeskanzler begleitet. Umgeben und angespornt von vielen Opinion Leadern waren wir sehr veränderungswillig. Viele bahnbrechende bundespolitische Innovationen haben wir zuvor in Niederösterreich begonnen und erprobt, beispielsweise den Dialog mit der katholischen Kirche.

Begleitet haben dich später leider auch Lucona und Noricum, weshalb du 1989 als Innenminister zurückgetreten bist…

Erstere Affäre habe ich nicht verschleppt, wie mir fälschlich vorgeworfen wurde, sondern überhaupt erst bei der Staatsanwaltschaft angezeigt. Zu Verzögerungen kam es durch eine Verkettung unglücklicher Umstände, die außerhalb meines Wirkungsbereiches gelegen waren. Und bei Waffenlieferungen des österreichischen VOEST-Tochterunternehmens Noricum wurde ich von den Managern glatt belogen.

Die Medien haben damals eine bedeutende Rolle gespielt. Unabhängig davon hast du als begnadeter Kommunikator gegolten. Wie ist dir das gelungen?

Ich habe immer ein besonderes Verhältnis zu den Medien gepflegt, Redakteure durch persönliche und offene Gespräche mit meinen Anliegen vertraut gemacht. Diese Aufgeschlossenheit war zum damaligen Zeitpunkt für das Innenministerium, das ich ja vom Polizei- zum Bürgerministerium gemacht habe, etwas völlig Neues. Bis zu den so genannten Skandalen hat das auch sehr gut funktioniert.

Wie hast du es nach deinem turbulenten Abgang geschafft, wieder festen Boden unter die Füße zu kommen?

Meine politische Reputation als Innenminister hat mir geholfen, in den nunmehr von der kommunistischen Diktatur befreiten ost- und südosteuropäischen Ländern zu reüssieren.

Vergleicht man die Machtausübung an der Spitze von Politik und Wirtschaft: Gibt es da aus deiner Sicht mehr Gemeinsamkeiten oder Unterschiede?

In der Politik werden dir Fehler eher verziehen. Außer du verärgerst mächtige Gruppen, die starken Einfluss auf die Medien haben. Dann bist du schnell weg.

Apropos weg: Wie gelingt der optimale Wechsel von der Politik in ein Berufsleben danach. Immer seltener bist ja du als Pensionistenvertreter für scheidende Politiker unmittelbar zuständig…

Für Leute, die vorher in der Wirtschaft erfolgreich waren, ist die Rückkehr zumeist kein großes Problem. Schwerer haben es sogenannte Berufspolitiker, die nie einen Brotberuf hatten.

Als rotes Urgestein warst du mit Bruno Kreisky, Willy Brandt und Olof Palme befreundet. Was hast du von damals mitgenommen?

Alle waren sie unglaublich authentisch. Kreisky hat mir mitgegeben, dass man als Politiker die Menschen gern haben muss. Brandt, dass man sie nicht anlügen darf. Und Palme war völlig selbstlos und hat die Chancengleichheit für alle nicht nur vertreten, sondern sie gelebt.

Umgekehrt: Was würdest du würdest künftigen Verantwortungsträgern mitgeben wollen?

Dass sie ihr Schicksal in die Hand nehmen und Veränderungen anstreben sollen. Für meinen Geschmack wird heute von den Jungen zu viel geraunzt und zu wenig Innovatives getan.

Danke für das Gespräch.

Björn Engholm

Björn EngholmBjörn Engholm war Bildungsminister im Kabinett von Bundeskanzler Helmut Schmidt, später Ministerpräsident von Schleswig-Holstein und SPD-Vorsitzender. Nach seinem Rücktritt vor über 20 Jahren ist er weiterhin als Vortragender und spannender Gesprächspartner gefragt – besonders, wenn es um Bildung und Kultur geht.

„Wir brauchen Visionäre statt Karrieristen“

Du kommst aus dem Norden Deutschlands. Was ist da so typisch für die Leute, würdest du sagen…

Weil wir keine Berge haben, wird meine Heimat Schleswig-Holsteinauch das Land der Horizonte genannt. Der Blick ist weit, und das prägt die Menschen. Außerdem würde ich uns als bescheiden und bodenständig bezeichnen.

Willy Brandt kommt ja aus derselben Stadt wie du, nämlich Lübeck. Wie hast du diesen großen Sozialdemokraten und Europäer in Erinnerung?

Willy und auch sein Nachfolger Helmut Schmidt hatten etwas unverkennbar Hanseatisch-Nordisches. Schmidt war direkter und hat von sich und anderen eine strenge Disziplin verlangt. Willy dagegen war sinnlicher und lebensmunterer, wenn auch ein bisschen distanzierter.

Was konnte man von diesen beiden „Technikern der Macht“lernen?

Willy hatte große Visionen, stets die Welt im Blick. InnenpolitischeKleinarbeit war seine Sache nicht. Da war ihm Schmidt weit voraus.

Was war entscheidend für deinen Einstieg in die Politik?

Als Kind der 50er Jahre wollte ichdie Welt verändern. Angefangen mit unserem Land, das gerechter, fröhlicherund menschlicher werden sollte. In meinem Fall in den Bereichen Bildung und Kultur. Jeder politischen Karriere sollte eine großes Leitthema, ein Ziel, eine Vision zu Grunde liegen – und nicht das Streben nach Macht oder einem Amt.

Eine Machtposition zu erlangen ist das Eine, etwas daraus zu machen das Andere…

Dazu ist es erstens wichtig, seingroßes Ziel nicht aus den Augen zu verlieren. Zweitens muss man anderen ein Vorbild sein. Und drittens sollte man sich mit qualifizierten Mitarbeitern und Beratern umgeben.

Apropos großes Ziel: Wie würdest du deines definieren?

Als Absolvent des zweiten Bildungswegesaus einer Lehre heraus, habe ich mir die Öffnung des Bildungswesens zur politischen Lebensaufgabe gemacht. Insbesondere für Arbeiterkinder, Frauen und aus welchem Grund auch immer Benachteiligte. Nach dem Fall der Mauer kam dann die Zusammenführung der Staaten rund um das Mare Baltikum, dem Ostseeraum, zu einer Art Neuhanseals zweites großes Ziel dazu.

Medien und Politik waren und sind ja untrennbar miteinander verbunden…

Die Kommunikation hat sich gegenüber meiner aktiven Zeit dramatisch verändert. Wir hatten damals kein Internet oder Facebook. Auch gab es viel weniger Kameras und Journalisten. Was sich aber trotz allem nicht geändert hat, sind die zwei wichtigsten Dinge für eine gute Öffentlichkeitsarbeit. Erstens erstklassiges Auftretenund angemessene Kleidung, schließlich sind Politiker Repräsentanten des Souveräns. Und zweitens eine klare und gewählte Sprache, die die Menschen begreifen.

Verbunden mit Politik sind auch Druck und Belastungen. Wie bist du damit umgegangen?

Ich habe so viel wie möglich delegiert.Wer jeden Tag 16 Stunden schuftet, kann nicht an die Zukunft denken. Außerdem habe ich mir immer Phasen der Muße und Sinnlichkeit gegönnt, beispielsweise einen Theaterbesuch oder eine Flasche guten Wein.

Politik und Wirtschaft: Wo siehst du Gemeinsamkeiten, wo Unterschiede?

Beide sind substantiell für unsere Gesellschaft und beide sind Dienstleister. Die Politik für das Volk und die Wirtschaft für die Konsumenten. Erstere steht allerdings viel mehr unter kritischer Beobachtung, die kaum einen Fehler verzeiht.

Im direkten Umfeld ist die Beobachtung ja zumeist alles andere als kritisch. Woher hast du objektives Feedbackbekommen?

Ich habe mein Umfeld immer dahingehend strukturiert. Wenn Feedback nicht automatisch da ist, muss man dieses organisieren. Menschen in Spitzenpositionen ohne Feedback werden einsam, und Einsamkeit verführt in der Regel zu falschen Entschlüssen.

Frauen und Männer in Spitzenpositionen: Wie ist da deine Wahrnehmung?

Frauen haben es nach wie vor schwerer, weil Führungspositionen auch im Kontext des Denkens und in der Art des Handelns männlich dominiert sind. Dabei hätten wir weibliche Tugenden, wie Empathie oder Konsensfähigkeit, in unserer immer komplexer werdenden Gesellschaft bitter nötig.

Welche Momente würdest du als Durchbrücheauf deinem politischen Weg bezeichnen?

Ad hoc fallen mir zwei Begebenheiten ein: zum einen dass ich frühmorgens im Büro unseres damaligen Fraktionsvorsitzenden Herbert Wehner vom Bildungssprecher zum Arbeitskreisvorsitzenden befördert wurde, das hieß Anerkennung von höchster Stelle!Und zweitens als mich Helmut Schmidt von heute auf morgen zum Staatssekretär gemacht hat.Großzügigedrei Stunden Bedenkzeit inklusive.

Politikerkarrieren enden heutzutage kaum noch im Ruhestand. Wie kann ein guter Übergang ins Arbeitsleben gelingen?

Wenn man nicht das Glück hat, über ein Rückkehrrecht zu verfügen, sollte man sich von vornherein auf die Zeit nach der Politik vorbereiten, beispielsweise Kontakt zum alten Beruf halten. Es bleibt aber immer das Restrisiko,nach einem unerwarteten Ausin ein Loch zu fallen. Das ist so.

WelcheÜberschrift würdest du für deine Karriere wählen?

Was immer du auch tust, tu es mit ganzem Herzen. Der Satz stammt übrigens nicht von mir, sondern von Konfuzius.

Zum Abschluss möchte ich dich noch um ein Resümee ersuchen…

Wir brauchen Visionäre statt Karrieristen. Außerdem gilt es auch in höchsten Ämtern mit beiden Beinen auf dem Boden, Mensch zu bleiben. Dassind neben Verlässlichkeit und Loyalität die wichtigsten Dinge.

Danke für das Gespräch.

Mag. Hubert Patterer

Hubert PattererMag. Hubert Patterer hat den Journalismus von der Pike auf gelernt und kennt die Zeitungslandschaft wie kein zweiter. Im Zeitalter der Digitalisierung dem gedruckten Wort Tag für Tag zum Durchbruch zu verhelfen, geht nur mit Leidenschaft. Nicht zuletzt dafür wurde er erst vor wenigen Wochen als „Chefredakteur des Jahres“ ausgezeichnet.

„Macht langweilt mich!“

In einem Artikel des österreichischen „Journalisten“ aus Anlass der Preisverleihung an den Journalisten des Jahres wirst du als „empathisch autistisch“ beschrieben. Wie siehst du diese Einschätzung?

Als Chefredakteur muss man diese Selbstbezogenheit haben. Man muss wissen: Ich habe meine Zeitung im Kopf, die Art der Zeitung, die ich machen will oder wie ich glaube, dass sie gebaut sein muss, um in Zeiten des Wandels und der Umbrüche zu bestehen. Ob es gleich autistisch ist, so vorzugehen, sei dahingestellt. Ich jedenfalls hoffe, dass es nicht so ist.

Du bist ein anderer ein Typ als dein Vorgänger, vom ganzen Habitus her. Und trotzdem musst du die Dinge nach unten bringen, wie hast du das geschafft?

Ich sehe es als Grundvoraussetzung, dass man selber eine Leidenschaft dafür hat, was man tut und daher begeisterungsfähig ist. Diese Begeisterungsfähigkeit auf die Mitarbeiter zu übertragen, ist mein Führungsprinzip. Damit überfordere ich meine Leute bisweilen. Dann stutzen sie mich ein bisschen zurück, wenn ich eine imaginäre Sperrlinie überschreite. Aber ohne eine gewisse Begeisterungsfähigkeit ist unser Beruf sinnlos.

Eine Machtposition zu erreichen und auf dem Chefsessel Platz zu nehmen, ist das Eine. Was muss dazu kommen, um so viel Akzeptanz vorzufinden, dass man ins Umsetzen und Gestalten kommt?

Als Machtmensch habe ich mich nie empfunden. Macht langweilt mich, ist überhaupt keine Triebfeder. Zur Gestaltungsmacht kann ich ja sagen. Ich habe gerne die Gestaltungsmacht, darüber zu entscheiden, womit wir morgen aufmachen, was das Thema des „Leitartikels“ ist und was das „Thema des Tages“. Diese Leitplanken täglich einzuschlagen, das ist der schöpferische Teil meiner Macht im Sinne von Verantwortung. Aber Machterhalt oder machiavellistische Spielchen, das sind Kategorien, die mich weder antreiben noch interessieren.

Auch Journalisten bewegen sich in der Medienlandschaft nicht nur als schreiberisch Berichtende sondern auch als solche, über die berichtet wird. Wie geht man damit um? Bist du als Chefredakteur da besonders exponiert?

Ja natürlich steht man in der Lichtung. Das ist man anfangs nicht gewohnt, weil man vor allem in jüngeren Jahren in der Position des distanzierten Beobachters mit Abstand auf die Dinge schaut und sie analytisch wiedergibt. Die Funktion bringt es  mit sich, dass man in gewisser Weise eine öffentliche Person ist, als „Außenminister“ einer Zeitung und auch so wahrgenommen wird. Da muss man sich eine gewisse Robustheit zulegen. Das ist nicht immer einfach aber sehr lehrreich. Ich verwende jeden Tag sicher drei oder vier Stunden mit Korrespondenz, weil ich dabei die Schwingungen mitkriege, die für die tägliche Arbeit ganz wesentlich sind.

Besteht nicht die Gefahr, in der Politik mehr als im Journalismus, dass du wenig oder kein realistisches Feedback erhältst? Auch noch so kritische Mitarbeiter werden dir als Chefredakteur nicht jeden Tag ungebeten sagen, was du alles falsch gemacht hast.

Mir ist es schon wichtig, dass ich Leute um mich habe, die zum einen loyal sind, die aber auch zum Widerspruch fähig sind. Ich kenne Beispiele von Führungskräften, die für ihre nähere Umgebung nur Leute ausgewählt haben, die bedingungslos gefügig sind. Wenn dann überhaupt kein Widerhaken mehr da ist, dann kann es bald bergab gehen.

Wenn man im Internet nach Informationen zu deiner Person sucht, stößt man recht bald auf ein starkes Interesse für andere Menschen. Der Antrieb, spannende Leute vors Mikrophon zu bringen, zeichnet dich schon sehr früh aus. Da gibt es ja die Geschichte, wo du in Lienz dem Alberto Tomba hinterher warst.

Damals war ich unterwegs mit einem Sportreporter. Der meinte: Es ist sinnlos in der Nacht in Lienz nach Alberto Tomba zu suchen, wenn der am nächsten Tag einen Slalom bestreiten muss. Ich habe nicht nachgegeben. Weil in einem Gasthaus noch Licht gebrannt hat, bin ich rein und hab dort den Tomba mit seinem Südtiroler Trainer entdeckt. Da hat mir der Slalomstar um Mitternacht ein Interview gegeben. Das war eine meiner schönsten ersten Trophäen. Tomba ist am nächsten Tag allerdings „nur“ Zweiter geworden, obwohl er als Top-Favorit an den Start gegangen ist.

In deinem Lebenslauf ist mir aufgefallen, dass du in ein und demselben Leben Kulturchef, Lokalchef und Sportchef warst. Das ist doch eher selten, auch wenn der Journalistenberuf sehr vielfältig ist. Braucht es an der Spitze einer Zeitung so ein Allroundertum?

Ich habe mich selber als Universaldilletant bezeichnet. Als Reinhold Dottolo als Chefredakteur nach Kärnten gekommen ist, wollte er im Sportressort einen neuen Weg beschreiten. Er hat zu mir gesagt: „Versuche die Sportberichterstattung neu zu vermessen.“ So hat es begonnen. Als Kulturchef Dr. Leiler überraschend verstorben ist, hat man mich gebeten, in das Kultur-Ressort zu wechseln. Damals habe ich eine einzige Affinität zur Kultur aufweisen können, mein Germanistik-Studium. Andere Bereiche habe ich mir erst erarbeiten müssen. Das war eine tolle Erfahrung, die mir als Chefredakteur immer noch nützt.

Bitte zieh‘ zum Abschluss ein kurzes Resümee über dieses Gespräch!

Ich bin dir sehr dankbar dafür, weil es mich gezwungen hat, ein bisschen über mich selber nachzudenken und zu analysieren, wie man funktioniert. Im täglichen Geschäft, wenn man im Maschinenraum drinnen steckt, macht man das ja nicht. Diesen Anstoß an kritische Nachdenklichkeit habe ich als sehr angenehm empfunden.

Danke für das Gespräch.

Dr. Michael Ausserwinkler

Michael AusserwinklerDr. Michael Ausserwinkler war Vizebürgermeister von Klagenfurt, österreichischer Gesundheits-minister und Landeshauptmann-Stellvertreter in Kärnten. Mit vielen Vorschlägen war er seiner Zeit voraus. Als verständnisvoller Arzt kann er heute hie und da schmunzeln, wie viele seiner Ideen später doch in die Umsetzung gekommen sind.

Vordenker und Zuhörer

Das Berufsprestige des Arztes ist deutlich besser als das des Politikers. Wie hat sich das beim Einstieg in die erste Reihe ausgewirkt?

Rückblickend muss ich gestehen, dass ich doch extrem überrascht war, wie unterschiedlich diese zwei Berufsbilder sind. Und das, obwohl ich sozusagen genetisch vorgeprägt gewesen bin. Mein Vater war ja lange Bürgermeister von Klagenfurt. Also war mir das politische Umfeld nicht ganz unbekannt.

Du warst ein Gesundheitsminister mit Visionen. Was war dein Rezept zur Verwirklichung?

Ich habe mir immer Partner gesucht. Zumeistdie Bevölkerung und die Medien. Zudem hatte ich offensichtlich kein schlechtes Gespür für die richtigen Themen.

Apropos Medien: Wie ist es dir gelungen, komplexe Gesundheitsthemen ins richtige Scheinwerferlicht zu rücken?

Es war so, dass es Bereiche gab, von denen ich wusste, dass sie für die Öffentlichkeit interessant sind, und die habe ich dann auch entsprechend positioniert. Beispielsweise die Themen Aids oder Tabakgesetz.

An zwei Aufmacher kann ich mich noch besonders gut erinnern: Wie du mit der Schere einen Glimmstängel durchschneidest und die Schlagzeile als Kanzlerreserve…

Die Positionierung als Kanzlerreserve war für mich eine sehr unangenehme und gefährliche. Ich habe am nächsten Tag, nachdem diese Schlagzeile in irgendeiner Wochenzeitschrift war, den kalten Wind gespürt aus mehreren Ecken der SPÖ.

Dass man ab einer bestimmten Ebene der Hierarchie wenig bis gar kein realistisches Feedback bekommt, ist in der Politik besonders problematisch. Wie hast du es geschafft, am sprichwörtlichen Boden zu bleiben?

Ich habe den Wert kritischer Geister immer geschätzt. Auch und gerade als Kulturreferent in Kärnten. Darüber hinaus habe ich mir aus meiner Zeit als junger Arzt einen Freundeskreis erhalten, von dem ich mir ein ehrliches Feedback erwarten konnte.

Vergleicht man Politik und Wirtschaft beziehungsweise Freiberufler: gibt es da Gemeinsamkeiten?

Du musst als Freiberufler permanent Entscheidungen treffen, die große Konsequenzen haben. Wenn man das gewohnt ist, wenn man das gelernt hat, tut man sich auch leichter in der Politik. Ich musste als junger Arzt auf der Intensivstation schlagartig Entscheidung treffen und Prioritäten setzen. Auch das hat mir später sehr geholfen.

Du giltst als begnadeter Zuhörer. Von denen laufen in der Politik nicht allzu viele herum…

Das Zuhören führt dazu, dass man lernt. Und gerade die Politik hat ein permanenter Lernprozess zu sein. Denn jemand, der nicht mehr lernt, bleibt stehen. Das ist mir Gott sei Dank nie passiert.

Über Jahrzehnte mit Druck und Belastungen umzugehen, wie schafft man das?

Erstens muss einem der Beruf Spaß machen. Und zweitens muss man einen Ausgleich suchen. Bei mir war das immer der Sport. Laufen und Radfahren. In meiner schwersten Zeit als Landesparteiobmann habe ich sogar den Venedig-Marathon gemacht, um mich abreagieren zu können.

Ein gesellschaftliches Marathon-Thema ist der Unterschied zwischen den Geschlechtern, auch was den Zugang zur Macht betrifft…

Ich habe sehr große Frauen in der Politik kennengelernt. Beispielsweise erinnere ich mich an viele nächtliche Diskussionen mit Johanna Dohnal. Wir hatten sehr viele Gemeinsamkeiten, aber auch zwei, drei Themen, die wir anders gesehen haben. Unter anderem das Rauchen. In der Landesregierung habe ichjedenfallsdarauf geachtet, dass die SPÖ mit einer Frau vertreten war, auch wenn es andere Überlegungen in der Partei gegeben hat.

Was waren aus heutiger Sicht entscheidende Durchbrüche in deiner Karriere?

In der Kommunalpolitik war es der Ausbau von Kindergartenplätzen. Auf der Bundesebene sicherlich das Tabakgesetz. Dazu kam die Drei-Länder-Olympiabewerbung mit Italien, Slowenien und Kärnten, auchals Vehikel, um aus dem rechten Eck herauszukommen. Ich konnte mit Franz Klammer durch das Land ziehen, und sein Spruch: „Mein Großvater und der Großvater vom Bojan Krizaj, einem slowenischen Skiläufer, haben noch gegeneinander gekämpft. Jetzt möchte ich mit ihm gemeinsam Olympische Spiele machen“, hat mehr an Öffnung gebracht als viele politische Bekenntnisse oderintellektuelle Diskussionen zusammen.

Das Ende einer Politikerkarriere fälltnur noch selten mit dem gesetzlichen Pensionsalter zusammen. Wie gelingen gute Übergänge?

Man kann sich auf seinen Übergang eigentlich nicht vorbereiten. Und vor allem sollte man das nicht permanent tun. Mir war es eine große Hilfe, einen Beruf zu haben und Abstand zu bekommen. Die Zeit, die ich nach meinem Ausscheiden aus der Politik in Kalifornien verbracht habe, hat es mir erleichtert, den Schritt zurück ins zivile Berufsleben zu gehen.

Die war notwendig?

Die war unbedingt notwendig. Ich hätte nicht aus der Landesregierungunmittelbar in eine Oberarztposition in ein Kärntner Krankenhaus wechseln können. In diesem Zusammenhang ist eines ganz wichtig: Man darf sich als Person dem politischen Amt nicht unterordnen. Man muss eine Eigenpersönlichkeit bleiben, der die Lobhudelei nach Ende der politischen Karriere nicht abgeht.

Welche Schlagzeile würdest du dir zu deinem runden Geburtstag wünschen?

Ich habe immer versucht, neue Felder zu beschreiten und nicht auf ausgetretenen Pfaden unterwegs zu sein. Deshalb würde ich den Titel Vordenker als angemessene Ehre empfinden.

Zum Abschluss darf ich noch um ein kurzes Resümee ersuchen…

Macht ist für das Vorankommen in Politik und Wirtschaft unabdingbar. Aber wenn man meint, ausschließlich mit Macht etwas durchsetzen zu müssen, ohne in den Dialog zu gehen, dann wird man irgendwann einmal nichts mehr weiterbringen.

Danke für das Gespräch.

Dr. h.c. Franz Küberl

franz-kueberlDr. h.c. Franz Küberl war über Jahrzehnte das Gesicht der Caritas und soziales Gewissen des Landes. Als Präsident der Caritas Österreich hat er die Sozialpolitik mitgeprägt, unbequeme Fragen gestellt, mit Energie und Kommunikationstalent die Blicke der Machthaber gerade dorthin gerichtet, wo man sonst gerne wegschaut.

Helfer von Gesicht zu Gesicht

Caritas steht für Nächstenliebe und Wohltätigkeit. Welche Tugenden brauchte es, um an die Spitze dieser Hilfsorganisation zu gelangen?

Kompetenz, Überzeugungskraft und Grundprinzipien des Managements. Letztere habe ich mir nach und nach angeeignet.

Wir alle kennen den Spruch „Tue Gutes und rede darüber“. Wie ist es Ihnen gelungen, die für eine karitative Einrichtung unverzichtbare Außenwirkung zu entfalten?

Ich habe immer ganz besonderen Wert auf eine verständliche Sprache gelegt und die Dinge beim Namen genannt. Auch wenn das nicht immer allen gepasst hat.

Sie waren und sind auch noch in ORF-Gremien vertreten. Hat diese Medien-Affinität die Öffentlichkeitsarbeit erleichtert?

Ja, aber die wichtigsten Voraussetzungen für gute Kommunikation sind wie gesagt Verständlichkeit und Sachkenntnis. Ohne Sachkenntnis entstehen keine Bilder, die transportiert werden können.

Sie waren über mehrere Jahrzehnte Direktor der Caritas Graz-Seckau und gleichzeitig Präsident der Caritas Österreich. Wie haben Sie diese doppelte und andere Belastungen ausgehalten?

Indem ich das sprichwörtliche Rad nicht immer neu erfunden habe. Das hat Zeit und Energie gespart. Übrigens muss der Präsident der Caritas Österreich immer auch Diözesandirektor einer Caritasorganisation sein, um sozusagen die Bodenhaftung nicht zu verlieren. Das ist eine sehr kluge statutarische Vorschrift.

Apropos Bodenhaftung: Wir alle kennen ja die mehr oder weniger gute österreichische Tradition des Schulterklopfens. Wie haben Sie sich Ihr Gespür bewahrt?

Ich habe stets großen Wert auf eine gute und offene Gesprächskultur mit meinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern gelegt. In einer Führungsposition muss man mit Kritik konstruktiv umgehen können. Ungeachtet dessen höre ich wie jeder Mensch gerne Komplimente. Kreisky hat einmal gesagt, Sie wissen gar nicht, wie viel Lob ich vertragen kann. Und das ist bei mir nicht anders.

Betrachten wir Führungspositionen in Politik, Wirtschaft oder eben bei der Caritas: Wo würden Sie da Gemeinsamkeiten beziehungsweise Unterschiede sehen?

In der Politik wie bei der Caritas geht es um das Ringen für eine möglichst gute Form der Bewältigung des Lebens. Zumindest sollte es das. Und das Evangelium kann man durchaus als Parteiprogramm der Caritas verstehen.

Frauen, Männer und Macht: Gibt’s da unterschiedliche Zugänge?

Ich sehe keine. Der positive und verantwortungsvolle Umgang mit Macht, ist für mich kein Vorrecht eines Geschlechts.

Welchen Moment in Ihrer Laufbahn würden Sie zurückblickend als besonders gelungen, als eine Art Durchbruch bezeichnen?

Gut erinnern kann ich mich beispielsweise an die Einführung der Mindestsicherung oder an sehr erfolgreiche Verhandlungen rund um den Zivildienst mit der legendären Innenministerin Prokop.

Nicht nur einmal haben Sie gesagt, Ihr schönster Erfolg wäre, wenn die Gesellschaft Einrichtungen wie die Caritas nicht mehr brauchen würde. Das ist leider nicht ganz gelungen beziehungsweise war wohl eher eine Metapher. Was sind Ihre zweitschönsten Erfolge?

Die Hilfe von Gesicht zu Gesicht wurde in den vergangenen Jahrzehnten zum Markenzeichen der Caritas. Das war und ist mir ebenso wichtig wie dass wir heute in unseren Projekten viel mehr Freiwillige haben als früher. Dazu kommen die Absetzbarkeit von Spenden, eine ganze Reihe asylgesetzlicher Prinzipien über Innovationen im Pflegebereich bis hin zur Hospizverantwortung.

Öffentliche beziehungsweise politische Karrieren enden kaum noch in der Pension. Wie gelingt ein guter Übergang?

Man muss verinnerlichen, dass Macht in einer Demokratie immer nur geliehen ist. Außerdem sollte man den Zeitpunkt seines Abgangs nach Möglichkeit selbst bestimmen.

Was würden Sie Verantwortungsträgern von morgen mit auf den Weg geben?

Dass Verantwortung mit List und Lust wahrgenommen werden muss, damit sie nicht zur Last wird. Auch braucht es Mut und Zivilcourage. Man sollte sich schon etwas trauen.

Zum Abschluss darf ich Sie um ein Resümee ersuchen…

Ich glaube fest daran, dass bei den meisten Menschen mit der Verantwortung nach und nach auch die Fähigkeit wächst, diese auszuüben. Das ist wie bei den Jahresringen der Bäume. Ungeachtet dessen sollte man aber stets in der Lage sein, seine Grenzen zu erkennen.

Danke für das Gespräch.

Mag. Achill Rumpold


rumpoldMag. Achill Rumpold war Büroleiter, Landesparteisekretär und Landesrat in Kärnten in einer äußerst turbulenten Phase für seine Partei. Mit einigem Abstand blickt er kritisch und reflektiert auf diese Zeit zurück. Ein spannender Gesprächspartner, der die Höhen und Tiefen einer Machtposition persönlich und unmittelbar erlebt hat.

Leidenschaftlich und zielstrebig

Gibt es ein Patentrezept für den Einstieg in die Politik?

Wenn es das gäbe, dann hätten wir wahrscheinlich ein ziemliches Gedränge. Zielstrebigkeit und Leidenschaft sind aber zweifellos wichtige Grundvoraussetzungen. Den großen politischen Karriereplan hatte ich persönlich nie. Vieles hat sich nach und nach ergeben.

Bis hin zum Landesrat…

Die fast zehnjährige Erfahrung als Landesparteisekretär und als Büroleiter eines Regierungsmitglieds war da ein großer Startvorteil. Meine erarbeiteten Kompetenzen in Strategiefragen und bei den politischen Inhalten waren dann gefragt, als ich von einem Tag auf den anderen ohne Reibungsverlust die Regierungsposition zu übernehmen hatte. Eine Hundert-Tage-Frist habe ich nicht gebraucht!

Wie punktet man im Scheinwerferlicht der Medien?

Dafür muss man nicht perfekt sein. Das Wichtigste sind Authentizität, Routine und eine Vision. Und man darf nicht immer nur auf der Suche nach der schnellen Schlagzeile sein.

Politik ist ja generell schnell und intensiv. Wie bist du mit diesem Druck umgegangen?

Man sollte sich selbst nicht allzu wichtig nehmen und das Handwerk gelernt haben. Quereinsteiger tun sich oft extrem schwer. Die kommen in die Politik, steigen als Meister ein, haben aber nie eine Lehre gemacht. Das ist dann auch entsprechend kräfteraubend.

Apropos Quereinsteiger: Ein Vergleich zwischen Wirtschaft und Politik im Top-Management…

In einer Aktiengesellschaft oder einem großen Unternehmen muss man Mehrheiten suchen und Menschen von seinen Zielen überzeugen. Das sind schon starke Parallelen zur politischen Führungsebene. Deshalb tun sich Quereinsteiger aus dem Top-Management in der Politik wohl auch etwas leichter.

Eine Parallele zwischen Top-Management und einer politischen Funktion ist auch mangelndes Feedback. Wie bist du zu realistischen Rückmeldungen gekommen?

Man muss den Charakter haben, Distanz zu wahren und Schulterklopfern zu widerstehen. Ich habe ja noch nie so viele Geburtstags-SMS bekommen, wie während meiner Zeit als Landesrat. Aber die meinen ja nicht dich als Person, sondern die gelten hautsächlich deiner Funktion. Diese Charaktereigenschaft, Distanz zu wahren,war auch ein wichtiges Kriterium bei der Auswahl meines Umfeldes.

Was war rückblickend dein größter Erfolg als Landesrat?

Gefühlsmäßig war es die zunehmende Akzeptanz als Agrarreferent durch die Bauernschaft. Anfangs hat mir ja durchaus eine gewisse Skepsis entgegengeschlagen, hauptsächlich, weil ich selbst kein Landwirt bin. Und im Gemeindereferat war es die De-facto-Abschaffung der Bedarfszuweisungsgespräche. Unsere Bürgermeister sind seitdem keine Bittsteller mehr.

Wie gelingt der Übergang von der Politik ins Leben danach?

Dass sich kaum ein Unternehmen parteipolitisch punzieren lassen will, erschwert einen Wechsel in die Privatwirtschaft enorm. Ich hatte das Glück, dass ich in den öffentlichen Bereich zurückkehren konnte, aus dem ich schlussendlich auch gekommen bin.

Frauen und Männer und der Zugang zu Macht. Hast du da Unterschiede feststellen können?

Ja, definitiv. Frauen sind tendenziell weniger bereit, von ihren Positionen abzuweichen. Das bringt zwar weniger Kompromisse, aber mehr Konsequenz.

Du bist seit einiger Zeit mit einer schweren Krankheit konfrontiert. Wird dadurch nicht vieles relativiert?

Wenn früher etwas schiefgelaufen ist, habe ich mir immer gesagt, Hauptsache du bist gesund. Jetzt kann ich das leider nicht mehr sagen. Dadurch werden die Dinge natürlich irrsinnig relativ. Ein Kärntner Landesrat ist ja tatsächlich nur ein Staubkorn in einer Welt mit sieben bis acht Milliarden Menschen.

Trotzdem bist du immer noch an Politik interessiert…

Ich bin und bleibe ein politischer Mensch. Relativ heißt ja noch lange nicht schlecht. Politik ist wichtig, betrifft uns alle und ich möchte keine Minute missen. Die vielen spannenden, traurigen und erfolgreichen Momente, die ich erleben durfte, lassen mich auch mit meiner Krankheit viel leichter umgehen.

Was würdest du Verantwortungsträgern der Zukunft gerne mit auf den Weg geben?

Ohne große Ratschläge geben zu wollen, würde ich vor allem meinen, dass man Politik nicht wegen des Prestiges, sondern aus Überzeugung machen sollte.

Ich darf dich noch um ein Schlussstatement ersuchen…

Mir hat meine Zeit in der Politik Spaß gemacht und mich fasziniert Macht im positiven Sinne. Ich glaube, dass man mit Macht sehr viel bewirken kann, wenn man den richtigen Charakter hat.

Danke für das Gespräch.

Dr. Andreas Khol

kholProf. Dr. Andreas Khol war schon lange vor seiner Kandidatur für das Amt des österreichischen Bundespräsidenten einer der profiliertesten Vertreter der ÖVP: Als Klubobmann und Nationalratspräsident hatte er jahrelang Schlüsselpositionen inne, weshalb sein Resümee besonders spannend ist.

Wir müssen wiederauf die Stärken unseres Landes bauen.

Wie beginnt man, um in die erste Reihe der Politik zu kommen?

Ich war ein Quereinsteiger, der im Jahr 1974 als Wissenschaftler mit internationaler Erfahrung von Alois Mock gebeten wurde, die politische Akademie der ÖVP zu übernehmen. Der spätere Bundesparteiobmann, Vizekanzler und Außenminister wurde in der Folge zu meinem politischen Ziehvater. Und im Mai 1983 bin ich dann auch an seinen Rockschößen in den Nationalrat eingezogen.

Alois Mock hat Ihnen also den Weg in den Nationalrat geebnet?

Ja, aber ab diesem Zeitpunkt habe ich meine Karriere einzig und allein den Wählerinnen und Wählern und nicht der Partei zu verdanken. Ganz im Gegenteil habe ich mich im Jahr 1994 zum Klubobmann regelrecht hinaufgeputscht, indem ich eine parteiinterne Abstimmung gegen den Kandidaten des ÖAAB erzwungen und haushoch gewonnen habe.

Klingt nicht nach „Willkommen im Klub“…

Der Klub war damals ein richtiger Sauhaufen. Aber ich brachte den Willen und die Charaktereigenschaften mit, das zu ändern. Dazu zähle ich vor allem Sachkunde, Fleiß und Courage. Ein guter Klubobmann darf nicht konfliktscheu sein. Er muss Leuten, die beispielsweise die Klubdisziplin verletzen, das Gestell richten.

Sie haben also ihrem Nachfolger ein geordnetes Haus übergeben?

So muss es gewesen sein. Denn als ich Ende 2002 darum bat, Erster Präsident des Nationalrates werden zu dürfen, konnte der damalige Parteiobmann Wolfgang Schüssel nicht Nein sagen.

Apropos Nein sagen: Eine Facette der Politik ist, dass man so gut wie kein ehrliches Feedback bekommt. Wie haben Sie es geschafft, die Bodenhaftung nicht zu verlieren?

Mein wichtigstes Kontrollgremium ist die Familie. Vor allem meine Kinder sagen mir immer unbarmherzig barmherzig die Wahrheit. Und immer gab und gibt es ein sehr gutes Feedback bei Basisveranstaltungen. Innerhalb des Seniorenbundes beispielsweise in den Ortsgruppen.

Sie selbst haben sich ja auch selten ein Blatt vor den Mund genommen und waren und sind als schlagfertiger und scharfzüngiger Politiker berühmt-berüchtigt. Was macht einen guten Redner aus?

Erstens: die freie Rede ohne Manuskript oder Spickzettel. Und zweitens: eine bild- und beispielhafte Sprache. Verbadocent, exemplatrahunt, wie der Lateiner sagt. Dazu kommt mein ganz persönliches Erfolgsgeheimnis: Als Theaterfan und Vielleser fällt mir auch noch während einer Rede sehr viel ein.

 Eine bild- und beispielhafte Sprache ist natürlich auch im Umgang mit Medien von Vorteil…

Das stimmt. Gute Sager sind wichtig. Aber auch klare Regeln: Man muss gegenüber Journalisten immer ehrlich sein, andererseits aber auch darauf vertrauen können, dass mit Informationen fair und wie vereinbart umgegangen wird. Ein Journalist, der sich nicht an diese Regeln hält, wird von mir nicht mehr bedient.

Soweit Ihr rhetorisches Geheimnis. Verraten Sie uns auch: Wie bleibt man trotz Jahrzehnten in einer Spitzenposition voller Stress und Termindruck so fit?

In meiner aktiven Zeit habe ich immer auf ein Minimum an Schlaf geachtet. Das habe ich übrigens von Wolfgang Schüssel gelernt. Auch beim Rauchen, beim Alkohol und bei der Ernährung war ich immer sehr diszipliniert. Und seit meinem 50. Geburtstag mache ich jeden Tag zwanzig Minuten Bodengymnastik oder Bewegung, um fit zu bleiben.

Der Politikerberuf ist also sehr zeitintensiv. Zu zeitintensiv für viele Frauen?

Für Mandatarinnen auf Bundesebene ist es zugegebenermaßen immer noch etwas schwierig, weil frau die Familie dann doch tagelang alleine lassen muss. Grundsätzlich aber können heutzutage Frauen in der Politik alles, was Männer können, oft sogar besser. Margaret Thatcher hat man ja früher sogar als “theonly man in her cabinet” bezeichnet.

Die Frauenquote ist auch in der Wirtschaft immer wieder Thema. Inwiefern sind Wirtschaft und Politik vergleichbar?

Da gibt es völlig andere Mechanismen. Vor allem bei Entscheidungen. Als Politiker muss man dabei immer auf die eine oder andere Gruppe Rücksicht nehmen und konsensorientiert denken. In der Wirtschaft entscheidet dagegen letzten Endes allein der Generaldirektor. Dazu kommt: Die Wirtschaft kann auch ganz bewusst problematische Entscheidungen treffen, gesetzwidrige. Der Zweck heiligt da oft die Mittel. In der Politik muss man dagegen mit Verantwortung für das Gemeinwohl handeln.

Als Politiker muss man also mehr Rücksicht nehmen…

Ja, auch auf die eigenen Leute, die schließlich bei Entscheidungen mitgehen müssen. Sie kennen wahrscheinlich das Erzherzog-Karl Denkmal auf dem Heldenplatz. Wie der Erzherzog mit der Fahne in der Hand gegen Napoleon reitet. Da blickt er nach hinten. Und warum: Weil er schaut, ob ihm seine Männer in die Schlacht folgen. So ist es auch in der Politik. Man kann nicht alleine reiten.

Sie werden heuer 75. Was halten Sie vom zunehmenden „Jugendwahn“ in der Politik?

Karrieren, wie sie der Sebastian Kurz jetzt macht, sind spektakulär, aber die können auch scheitern. Deshalb rate ich jungen Leuten, eher erst dann in die Politik zu gehen, wenn sie eine Familie gegründet und eine Ausbildung abgeschlossen haben, die sie unabhängig macht. Als Politiker muss man sich der Endlichkeit des Vertrags mit dem Volk bewusst sein. Das hat niemand in der Tasche.

Auch ich komme jetzt zum Ende und ersuche Sie um ein kurzes Schlussstatement…

Ich möchte den Verantwortungsträgern von morgen mit auf den Weg geben, dass Politik große Freude bereiten kann, wenn man nur mit den richtigen Erwartungen an die Sache herangeht. Geld oder Macht sind die völlig falsche Motivation. Wir brauchen in der Politik einen klugen Gegenpol zu den Angstmachern. Unser Land hat viele Stärken. Stärken, mit denen wir immer schon besser als andere durch unsichere Zeiten gekommen sind. Stärken, die unser Land groß gemacht haben. Das Gemeinsame, das Miteinander. Auf diese große Erfahrung müssen wir bauen. Ja, es ist Zeit, gerade in schwierigen Zeiten wieder auf die Stärken unseres Landes zu bauen. Nur so werden wir die großen Themen, die vor uns liegen, angehen und lösen können.

Danke für das Gespräch.

Antonia Gössinger

goessingerAntonia Gössinger ist Chefredakteurin der Kleinen Zeitung Kärnten und war schon vorher eine der profiliertesten Journalistinnen des Landes. Für ihre kritische und mutige Berichterstattung wurde sie 2006 mit dem begehrten Kurt-Vorhofer-Preis ausgezeichnet. Seit 2010 ist sie auch Concordia-Preisträgerin in der Kategorie “Pressefreiheit”. Hier finden Sie ihre Einschätzung zum Umgang mit der Macht.

„Macht ist nichts Verwerfliches“

Wie schafft man es in der auflagenstärksten Tageszeitung Kärntens in die erste Reihe?

Mit Überzeugung und Glaubwürdigkeit. Erstere verpflichtet mich seit jeher dem journalistischen Ethos, und zweitere ist mein wichtigstes Kapital, das mich dorthin gebracht hat, wo ich heute bin.

Ein ähnlicher Weg wie in der Politik?

Da gibt es eigentlich kein allgemeingültiges Modell. Neben Überzeugung sollten allerdings politische Kenntnis und Erfahrung mitgebracht werden. Ich habe schon viele so genannte Quereinsteiger scheitern sehen.

Das Erreichen einer Machtposition ist das eine. Wie bringt man die PS dann auch wirklich auf die Straße?

Ich bin in der glücklichen Lage trotz Managementverantwortung in der Chefredaktion meine journalistische Arbeit nicht vernachlässigen zu müssen. In der Politik ist das wegen des viel stärkeren Konkurrenzdenkens nicht so leicht. Da sollte man als Nummer Eins etwas umsetzen, hat aber gleichzeitig Druck von allen Seiten, auch aus der eigenen Partei.

Und das ständige Rampenlicht macht den Druck nicht kleiner. Wie gelingt da ein guter Auftritt?

Das Wichtigste ist Authentizität. Es gibt nichts Schlimmeres als übercoachte und phrasendreschende Politiker.

Eine Führungsfunktion über Jahrzehnte bringt ein hohes Maß an Belastungen mit sich. Wie hält man das durch?

Vor allem mit Freude am Beruf. Obwohl unsere Themen nicht immer angenehm sind, gehe ich doch jeden Arbeitstag gerne in die Redaktion. Das ist schon so, wie es ein Politiker einmal gesagt hat: Wir Journalisten sind wie Zirkuspferde. Wenn wir die Trompeten hören, dann legen wir los.

Ab einer bestimmten Höhe der Hierarchie gibt es oftmals wenig bis kein Feedback. Wie bewahrt man sich da sein Gespür?

Ich habe die Erfahrung gemacht, dass man mit einer Kollegin anders spricht als mit der Chefredakteurin. Aber zum Glück existiert bei uns in der Zeitung mit den Redaktionskonferenzen ein Korrektiv, wo die Dinge auf den Tisch kommen und Meinungsverschiedenheiten offen ausgetragen werden. Ohne Rücksicht auf Rang und Namen. Dennoch gibt es auch bei uns Journalisten die Gefahr, dass man entweder im Elfenbeinturm verharrt oder nur mehr in gewissen Kreisen verkehrt. Ich tue mir da eher leicht, da ich am Land wohne und die Stimmungslage, die Sorgen der Menschen hautnah mitbekomme.

Deine Empfehlung an die Politiker lautet also „unter die Leute gehen“?

So ist es. Ein Politiker muss das Gespräch mit den Menschen suchen. Fairerweise muss man dazusagen, dass einem die Leute dann aber schon die Wahrheit ins Gesicht sagen müssen. Denn es gibt halt leider sehr viele Ja-Sager und Schulterklopfer.

Haben Frauen und Männer einen ähnlichen Zugang zur Macht? Wie ist da deine Wahrnehmung?

Frauen sind zumeist sachorientierter, Männer dafür lockerer und selbstbewusster. Dennoch orte ich im Führungsverhalten keine großen Unterschiede. Das wirkliche Problem ist die gläserne Decke in unserer Gesellschaft, an die viele Frauen im Laufe ihrer Karriere stoßen. Ich bin deshalb seit wirklich frühester Jugend eine massive Verfechterin von Quotenregelungen, und das auf allen Ebenen.

Hat es auf deinem Karriereweg eine Situation gegeben, wo du gespürt hast, das war jetzt eigentlich der entscheidende Durchbruch zur Anerkennung?

Ganz früh sogar. Und das kam so. Als junge Journalistin durfte ich den damaligen Landeshauptmann Leopold Wagner auf einer Wahlreise begleiten. Am Autotelefon, für mich damals eine Sensation, kamen immer wieder vertrauliche Anrufe herein, unter anderem vom damaligen Bundeskanzler Bruno Kreisky. Und Wagner hat nach fast jedem Telefonat zu mir gesagt: „Dirndl, das schreibst du aber nicht, gell“. Zurück in der Redaktion, habe ich dann meinem damaligen Chefredakteur, dem Herrn Heinz Stritzl, von den vielen interessanten Geschichten erzählt, die ich alle nicht schreiben sollte. Der aber hat gesagt: „Alles das schreiben Sie“. Was ich dann auch getan habe. Ab diesem Tag hat mich der Landeshauptmann als ernsthafte Journalistin wahrgenommen.

Zurück zur heutigen Politik. Wie gelingt da ein guter Ab- beziehungsweise Übergang ins Berufsleben?

Politiker wären gut beraten, um nicht zu sagen verpflichtet, potenzielle Nachfolgerinnen und Nachfolger aufzubauen, um so im Fall des Falles einen nahtlosen Übergang zu gewährleisten. Schließlich kann abseits von Wahlen jederzeit etwas passieren. Aber das erlebt man halt leider selten. Eher das Gegenteil. Nämlich das bewusste Kleinhalten des Umfelds. Viele wollen nach ihrem Abgang halt auch abgehen. Und der Übergang ins Berufsleben, beispielsweise in ein Unternehmen, wird meiner Ansicht nach vor allem durch das schlechte Image der Politiker erschwert.

Auf deine Arbeit bezogen: Wo hast du schon Spuren hinterlassen können?

Ich hoffe sehr, der jüngeren Kollegenschaft vorgelebt und bewiesen zu haben, wie wichtig und wie unverzichtbar Glaubwürdigkeit und Unabhängigkeit für unsere Arbeit sind.

Journalistisch zugespitzt: Welche Schlagzeile über deine Person hättest du gerne bei deinem nächsten runden Geburtstag?

Sechzig Jahre und kein bisschen leiser.

Was würdest du Verantwortungsträgern von morgen gerne ins Stammbuch schreiben?

Dass sie Grundsätzen verpflichtet sind, und ihre Funktionen, welche auch immer, kein Selbstzweck sein dürfen.

Abschließend darf ich dich noch um ein Schlussstatement ersuchen…

Macht ist nichts Verwerfliches. Man muss nur verantwortungsbewusst damit umgehen.

Danke für das Gespräch.

Dr. Peter Ambrozy

ambrozyDr. Peter Ambrozy war Landeshauptmann von Kärnten, hat als Spitzenpolitiker einige Höhen und Tiefen erlebt. Seit fast 20 Jahren ist er auch Präsident des Roten Kreuzes Kärnten und heute ein prominenter Vertreter der Zivilgesellschaft. Ein spannender Rückblick zum runden Geburtstag.

„500 Stimmen mehr, und Kärnten wäre viel erspart geblieben“

Wie hast du es in die erste Reihe der Politik geschafft?

Für die erste Reihe müssen immer mehrere Faktoren zusammenspielen: Zufall, persönliches Streben und Wollen, Unterstützung und Chancen durch Dritte sowie das entscheidende Quäntchen Fortune, das mir leider manchmal gefehlt hat.

Damit meinst du die berühmt-berüchtigten 500 Stimmen…

Unter anderem. Bei der Landtagswahl im Jahr 1989 ist ja schmerzhaft der Beweis erbracht worden, dass wirklich jede Stimme zählt. Schließlich waren es rund 500, die damals der SPÖ die absolute Mehrheit und den Landeshauptmannsessel gekostet haben. Ein paar hundert Stimmen haben so die politische Landschaft in Kärnten und Österreich nachhaltig verändert – und wahrscheinlich wäre, wenn es damals diese 500 Stimmen mehr gegeben hätte, dem Land Kärnten viel erspart geblieben.

Wenn man die erste Reihe einmal erreicht hat: wie können Machtpositionen gehalten und genutzt werden?

Mit Kompetenz, Selbstdisziplin und einem gewissen Grad an Selbstbewusstsein. Man muss von sich und seinem Tun schon überzeugt sein, um andere mitreißen zu können. Zudem braucht es gute Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die ich glücklicherweise immer hatte.

Eine Facette politischer Arbeit ist die zweite Realität, die Realität der Medien. Wie gelingt Wirkung im Scheinwerferlicht?

Generell gilt, dass man in einer Demokratie die Medien braucht, weil man die Unterstützung der Menschen braucht. Da gibt es ja den berühmten Gag von einem Boxer, der auf die Frage, was er als Profi den ganzen Tag macht, antwortet: Den halben Tag trainiere ich hart. Und auf die anschließende Frage, was er den restlichen halben Tag macht: Da muss ich unter die Leute, um ihnen zu erzählen, wie gut ich bin. Genauso ist es auch in der Politik. Dazu kommt, dass Medien neben den Fakten ganz stark am Unterhaltungswert von politischen Vorgängen interessiert sind. Das muss man sich immer vor Augen halten und damit habe ich mir vielleicht nicht immer so leichtgetan, wie manch anderer.

Du giltst heute noch als Musterbeispiel für Fleiß und Selbstdisziplin. Wie hast du den jahrzehntelangen Druck und die Belastungen durchgehalten?

Glücklicherweise verfüge ich über das notwendige Nerven- und psychische Korsett. Auch habe ich mir in meiner doch sehr sportlichen Jugend eine gewisse Grundkondition erarbeitet, die mir später erlaubt hat, über weite Strecken mit maximal vier Stunden Schlaf auszukommen.

In Spitzenpositionen ist man schnell einmal von Schulterklopfern umgeben. Wie bist du immer wieder zu halbwegs realistischen Rückmeldungen gekommen?

Viel Kontakt mit Menschen bringt auch viel Feedback. So habe ich das immer gehalten. Man muss die Rückmeldungen nur analysieren und filtern, dann bekommt man auch ein annähernd realistisches Bild. Entscheidend ist außerdem, dass Politik in nachvollziehbaren und verständlichen Schritten gemacht wird. Ab dem Augenblick, wo das nicht mehr gewährleistet ist, schalten die Menschen ab, und dann kriegt man im schlechtesten Fall gar kein Feedback mehr.

Du warst in zahlreichen Spitzenpositionen in der Politik und bist immer noch Präsident des Roten Kreuzes Kärnten. Worin unterscheiden sich Führungsaufgaben in Politik, Wirtschaft oder in der so genannten Zivilgesellschaft?

Das Entscheidende ist immer, dass im Mittelpunkt aller Überlegungen der Mensch stehen sollte. Und ich denke, dass hier auch schon das große Unterscheidungskriterium vorliegt. Wenn wir uns nämlich heute bestimmte Entwicklungen in der Wirtschaft oder in der Weltpolitik ansehen, dann muss man leider zum Schluss kommen, dass der Mensch eigentlich nichts mehr zählt, dass Zahlen oder Ideologien wichtiger sind als Menschenleben, als das Glück der Menschen.

Weshalb scheitern doch recht viele so genannte Quereinsteiger, die aus der Wirtschaft in die Politik kommen?

Weil auch politisches Arbeiten erlernt werden muss. Und weil Demokratie Zeit und Diskurs braucht, um am Ende zu einem Ergebnis, oftmals einem Kompromiss, zu kommen. Politische Entscheidungsprozesse sind in der Regel von viel mehr Faktoren und Imponderabilien beeinflusst als wirtschaftliche. Wir haben ja auch eine Reihe von durchaus herzeigbaren Wirtschaftspersönlichkeiten, die in regelmäßigen Abständen mit kräftigen Sprüchen auf die Politik losgehen und dadurch die Politikverdrossenheit schüren, während sie selbst ähnlich Diktatoren in ihren Betrieben herrschen können. Das ist jetzt auch übertrieben, aber nur damit man die Dinge klarer sieht.

Was waren Durchbrüche in deiner politischen Karriere?

Sicherlich das Kulturförderungsgesetz, das ich im Jahr 1989 nach einer breiten Diskussion mit allen Kulturtreibenden auf den Weg gebracht habe, und das mit geringen Änderungen bis heute funktioniert. Oder das Aufholprogramm im Bereich der Kinderbetreuung, das ich als Kindergarten- und Gemeindereferent gestartet und umgesetzt habe. Und ein ganz wesentlicher Bereich ist für mich auch heute noch die gesamte Gesundheitspolitik, die ich eine Zeitlang zu verantworten hatte. Das sind drei so Highlights. Mehr will ich auch gar nicht aufzählen, weil das möglicherweise falsch rüberkommen würde.

Als Leiter des Renner Institutes hatte ich einmal den ehemaligen SPD-Ministerpräsidenten Björn Engholm zu Gast. Von Journalisten gefragt, ob er denn nicht Lust hätte, wieder in die Politik einzusteigen, hat er geantwortet: We’llnevercome back. Bei dir hat das nicht gegolten. Du hast es geschafft, diese Regel aus der Boxwelt zu durchbrechen und bist zurückgekommen…

Also so martialisch will ich die Politik nicht sehen. Es gibt Gründe, warum jemand ausscheidet. Und es gibt genauso Gründe, warum jemand wieder in die Politik einsteigt. Das ist ja auch schon mehrfach passiert. Bei mir sind damals zwei Gründe zusammengekommen: Erstens wollte ich zurück und zweitens musste ich zurück, denn die Partei war in einer sehr schwierigen Situation.

Welchen Satz oder welche Überlegung würdest du Verantwortungsträgern von morgen mit auf den politischen Weg geben?

Wenn du das Glück hast, Verantwortungsträger und Gestaltungsträger zu sein in der Politik, dann versuche nach Möglichkeit, immer authentisch zu bleiben und denke immer daran, dass die Wahrheit am Ende doch siegt.

Darf ich dich noch um eine Schlussbemerkung ersuchen?

Ich möchte eigentlich alle, vor allem junge Menschen, ermuntern, sich dem politischen Geschehen zu widmen und alles zu tun, um Diskussionsmöglichkeiten, wo immer sie sich eröffnen, zu nutzen, aber auch, und das ist ganz entscheidend, dafür zu kämpfen, dass Diskussion immer möglich ist.

Danke für das Gespräch.