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Mag. Dietmar Ecker


Dietmar Ecker war schon mit 23 Jahren Pressesprecher eines Bundesministers, Kommunikationschef und Wahlkampfleiter, hat dann im Zuge eines Management-Buy-outs seine eigene Kommunikationsagentur gegründet und zahlreiche Unternehmen in ihrer Krisen-PR betreut. Heute ist er der Top-Experte für strategische Kommunikation.

Mut zum Anecken

Der Einstieg in die erste Reihe von Politik oder Wirtschaft. Gibt es da ein Patentrezept?

Anpassung und Durchschnittsverhalten werden leider zunehmend als Erfolgsrezepte gesehen. Deshalb gibt es kaum mehr herausragende Persönlichkeiten mit Ecken und Kanten. Wir leben in einer Zeit der Durchschnittseliten.

Wie bringt man die PS einer Machtposition auf die Straße?

Dazu braucht es Perspektiven über das reine Karrieredenken hinaus. Wenn ich weiß, was ich will, wenn ich einen gefestigten Charakter habe, wenn mein Ego nicht ausschließlich mein Tun dominiert und wenn ich Empathie für meine Mitmenschen habe, dann bin ich eine Führungspersönlichkeit im besten Sinn.

Wie gelingt Wirkung in Medien?

Die Medien korrespondieren mit Emotionen. Ein guter Politiker spürt die Emotionen der Gesellschaft und weiß ganz genau, was er wann wie sagen muss. Auch darf man sich vor negativer Berichterstattung nicht übermäßig fürchten. Denn das Schlimmste, das dir als öffentlicher Mensch passieren kann, ist, dass gar nicht über dich berichtet wird.

Du hast ja im Alter von nicht einmal 25 Jahren mit dem Ferdinand Lacina einen recht unspektakulären Politiker als Chef gehabt. Ich glaube, es ist nicht unhöflich, wenn man ihn als eher introvertiert bezeichnet …

Jetzt kann ich es ja erzählen. Er wird es mir verzeihen. In Wirklichkeit konnte und wollte er mit der Öffentlichkeit gar nicht umgehen. Er war ein Intellektueller und hat die Zeitungen immer erst rund drei Wochen im Nachhinein gelesen. Das ganze mediale Spiel war ihm ein Graus. Deshalb hatte ich die Freiheit in seinem Namen mit den Medien zu sprechen. Und so war Lacina trotz seiner Medienscheu dauernd im O-Ton in den Printmedien präsent.

Wie hält man den Druck in Führungspositionen über Jahre aus?

Ewig ist das sowieso nicht möglich. Nach acht bis zehn Jahren beginnt in der Spitzenpolitik sozusagen die Götterdämmerung. Die jahrelangen Belastungen zeigen Wirkung. Man baut zwangsläufig ab und das Publikum will frisches Blut.

Wie kommt man in einer Führungsposition zu einem brauchbaren Feedback?

Ich fange einmal von hinten an. Schwache Leute holen sich schwache Mitarbeiter. Kreisky hat das in seiner Biographie als das konzentrische Mittelmaß bezeichnet. Ein Depp sitzt in der Mitte und holt sich Deppen im Umfeld. Die Griechen nannten das die Parasiten. Dagegen holt sich ein starker Charakter auch starke Leute. Wirkliche Freunde hat man an der Spitze kaum. Das muss man wissen. Der Erfolgreiche hat viele Begleiter. In schwierigen Zeiten wird es dort sehr einsam.

Macht in Wirtschaft und Politik: Mehr Parallelen oder Unterschiede?

Bis zum Aufstieg der sozialen Medien gab es definitiv größere Unterschiede. Mittlerweile sind allerdings selbst Großkonzerne mit etwas konfrontiert, was wir in der Politik den Wählerwillen nennen. Immer mehr Unternehmen müssen daher viel stärker auch sozialpsychologische Prozesse in Gesellschaften berücksichtigen und soziale beziehungsweise ökologische Verantwortung nachhaltig wahrnehmen. Eine Maske in Form von einem riesigen Marketingbudget reicht in Zeiten von Facebook und Co. nicht mehr.

Siehst du Unterschiede zwischen Frauen und Männern im Umgang mit Macht?

Tendenziell neigen Männer eher zu Gockelgehabe, Konkurrenzkampf und Netzwerken. Frauen dagegen bringen mehr Emotionen in die Sichtweise ein und sind meiner Erfahrung nach viel mutiger, beispielsweise in Aufsichtsräten oder Vorständen.

Was waren entscheidende Durchbrüche auf deinem Weg?

Im Finanzministerium die Budgets Ende der 80er-Jahre und der EU-Beitritt, den wir auch kommunikativ sehr gut hinbekommen haben. Als Unternehmer war es der Aufstieg zur größten eigentümergeführten Kommunikations-Agentur in Österreich.

Wie gelingen in Top-Positionen vernünftige Übergänge?

Das hängt stark davon ab, wie gut man seinen zumeist unfreiwilligen Abgang verarbeitet. Je schneller desto besser. Viele kiefeln leider bis zum Lebensende daran.

Wechsel aus politischen in wirtschaftliche Positionen sind bei uns überhaupt eine Seltenheit …

Da sind wir in Österreich leider vorbelastet. Früher wurden ja vermehrt Deppen in staatsnahen Betrieben versorgt. Mit entsprechenden Ergebnissen. Das klingt bis heute nach. Umgekehrt ist für Wirtschaftsleute der Gang in die Politik nicht attraktiv.

Wo ist es dir gelungen, die eine oder andere Spur zu hinterlassen?

Ich bin kein Mensch, der es darauf anlegt, Spuren zu hinterlassen. Aber es war für mich ein Privileg, viele Jahre an der Seite von Ferdinand Lacina und kurz von Franz Vranitzky zu sein. Das waren und sind Persönlichkeiten, die dem Land gut tun.

Welche Tipps würdest du den Verantwortungsträgern von morgen mitgeben?

Junge Menschen sollten sich nicht nur auf ihre Karriere konzentrieren, sondern Ecken und Kanten und den Mut haben, sich zu artikulieren und etwas durchzukämpfen. Es liegt schließlich vieles im Argen in der Welt.

Danke für das Gespräch.

Dr. Astrid Zimmermann


Astrid Zimmermann ist langjährige Journalistin und war als Frau schon früher als viele andere in Führungspositionen tätig: Redaktionsleiterin, Betriebsrätin, Chefin der Journalistengewerkschaft, Generalsekretärin des Presseclubs Concordia. Sie hat viel zu sagen über die Sache der Frauen und über guten Journalismus in unserer Zeit.

„Frauen können es genauso gut wie Männer“

Welche Empfehlungen kannst du Frauen mit auf den Weg geben, um mindestens ebenso erfolgreich zu sein wie Männer?

Ich rate den Frauen, sich auf den Weg zu machen, sich selbst etwas zuzutrauen. Der Appell lautet aber auch: Bleib‘ bei dir! Stell Dir bei vielen Dingen, die an Dich herangetragen werden, die Frage: Will ich das wirklich? Frauen sollen nicht glauben, sie müssten gewisse Dinge tun, um Karriere zu machen.

Wie lauten also konkret deine Empfehlungen?

Ganz einfach: Bleib authentisch. Oder, mit Verlaub: Scheiß Dich nicht an. Frauen können es genauso gut wie Männer oder genauso schlecht. Frauen müssen nicht besser sein, nur weil sie Frauen sind. Und sie brauchen nicht alles selber zu können. Man (frau) kann sich auch Beratung holen. Ich habe mir in schwierigen Fällen Coaching selber bezahlt. Und ich habe entdeckt, dass mir das sehr geholfen hat.

Du warst selbst aktive Journalistin bei Arbeiterzeitung und Standard und bist jetzt Generalsekretärin des Presseclubs „Concordia“ in Wien. Warum wird dieser so gerne von Journalisten und Vortragenden angenommen?

Der Presseclub Concordia ist technisch gut ausgestattet und gut erreichbar. Die Journalisten haben hier alles, was sie brauchen. Das Wichtigste: Er wird als neutral wahrgenommen. Unlängst hat einer gesagt: Ich gehe deshalb so gerne in den Presseclub Concordia, weil es dort einen guten Kaffee gibt und man sogar rauchen darf.

Aus deiner langjährigen Erfahrung: Was muss man tun, um ins Gestalterische, ins Aktive hineinzukommen, wenn man erst einmal eine Machtposition erreicht hat?

Da gehören persönliche Merkmale dazu: Man muss führen, man muss Macht ausüben wollen. Und man braucht ein Netzwerk. Man braucht Leute, die einen unterstützen. Man muss sich Leute suchen, die – wie Bruno Kreisky damals gesagt hat – ein Stück des Weges mit einem gehen. Das wird allerdings in unserer Zeit nicht mehr so häufig gemacht. Deshalb wird die Macht von heutigen Persönlichkeiten auch angezweifelt.

Wie siehst du als Presseclub-Chefin den kritischen Journalismus: Gibt es da noch einen Hoffnungsschimmer oder bist du für die Zukunft skeptisch?

Das ist in der öffentlichen Debatte derzeit ein heißes Thema. Ich war unlängst bei einer Diskussion zum Thema Lügenpresse. Da hat einer gesagt: Das Gute am Schlechten ist, dass es immer eine Gegenbewegung auslöst. Daher sehe ich die Chance, dass auch im Journalismus das Pendel wieder einmal auf die Gegenseite ausschlägt. Aber ich glaube, dass wir noch nicht am Anschlag sind. Österreich ist da überhaupt ein Ausreißer, was ganz Europa anlangt. Wir haben ganz treue Medienkonsumenten, die bei den traditionellen Medien bleiben.

Wie ist deine Erfahrung aus dem jahrzehntelangen Kontakt: Müssen Politiker nicht nur zeitlichen Druck sondern auch Kritik aushalten?

Ja, auch ungerechtfertigte Kritik. Man kann sich nicht leisten, empfindlich zu sein. Wenn man Kritik allzu persönlich nimmt, führt das dazu, dass man auch berechtigte Kritik nicht mehr hört, weil man einen Abschottungs-Mechanismus entwickelt hat. Was man ab einer gewissen Position unbedingt beherrschen muss, ist Kommunikation nach innen und außen.

Eingangs haben wir über den Unterschied zwischen Frauen und Männern beim Zugang zu Macht gesprochen. Meine männlichen Gesprächspartner behaupten, dass es keinen Unterschied mehr gibt.

Natürlich haben Frauen heute mehr Machtpositionen als früher. Das ist ja auch kein Wunder. Denn sie haben in der Ausbildung aufgeholt. Wir haben diese Debatte jetzt seit 40 Jahren. Da muss sich ja was tun. Aber wir sind noch lange nicht dort, wo wir hinwollen. Als Beispiel möchte ich die Chefredakteurinnen nennen, deren Nachfolger meist wieder Männer sind. Erfreulicher Ausreißer ist die Kleine Zeitung in Kärnten, wo Antonia Gössinger auf Eva Weissenberger gefolgt ist.

Wo siehst du nach wie vor Unterschiede?

Bei den Frauen redet man etwa noch immer über das Aussehen, das Gewand und die Frisur. Das wird bei einem Mann nur dann gemacht, wenn er völlig aus der Rolle fällt.

Was könnten Frauen anders machen?

Frauen haben nicht hunderte Jahre Erfahrung in Machtpositionen. Ich selbst bin relativ früh in wichtige Positionen berufen worden. Ich bin von klein auf widerspenstig und wiederborstig gewesen. In den Siebziger Jahren hat es angefangen, dass man Frauen in den Gremien haben wollte. Da war ich eine, die hat Ja gesagt, die Reden halten konnte. Deshalb ist es mir ziemlich leichtgefallen, solche Rollen zu spielen. Aber ich erinnere mich an meinen Vater, der jedes Mal, wenn ich berufen worden bin, gefragt hat: Kannst du das überhaupt?

Zum Abschluss möchte ich dich bitten, ein Resümee zu ziehen über unser vielseitiges Gespräch.

Ja gerne. Wenn ich auf die Uhr schaue, bemerke ich, dass die Zeit viel schneller vergangen ist als gedacht. Eigentlich wollten wir ja nicht so lange miteinander reden. Vor allem, weil ich als Journalistin ja gewohnt sein müsste, auf den Punkt zu kommen. Aber es war total spannend, weil es dazu geführt hat, dass man selber reflektiert. Ich habe bemerkt, dass ich zu vielen Punkten eine pointierte Meinung habe. Und das hat Spaß gemacht.

Danke für das Gespräch.

Margit Schmidt


Margit Schmidt war über Jahrzehnte engste Mitarbeiterin des legendären österreichischen Bundeskanzlers Bruno Kreisky. Sie hat viel darüber zu sagen, wie Erfolg an der Spitze gelingt und dass das Ganze ziemlich viel mit Kommunikation zu tun hat.

„Kreisky war ein Politiker zum Anfassen“

Sie haben Bruno Kreisky von 1965 bis zu seinem Tod begleitet. Wie sehr hat diese Persönlichkeit ihr Leben beeinflusst?

Kreisky hat nicht unterschieden zwischen Arbeits- und Freizeit. Meine Kollegen und ich haben daher viel Zeit in den Abendstunden und auch Wochenenden in der Armbrustergasse mit Arbeit verbracht. Wir haben zum Beispiel an Parlaments- und Parteitagsreden gearbeitet.

Wie ist Kreiskys damaliger Erfolg zu erklären?

Ich glaube es liegt daran, dass er grundsätzlich Menschen mochte und an deren Schicksal interessiert war. Bei Dienstreisen mit der Bahn sind immer Zugbegleiter zu Kreisky gekommen, um mit ihm über ihre Probleme zu sprechen. Er hat die Leute beim nächsten Mal wiedererkannt und sich auch ihre Geschichten gemerkt.

Ich habe von Leuten gehört, die Kreisky nach acht Jahren wiedererkannt hat. Gibt es eine Erklärung für dieses phänomenale Gedächtnis? 

Das ist ein Talent. Ich glaube nicht, dass man so etwas lernen kann. Kreiskys Telefonnummer ist ja auch immer im Telefonbuch gestanden. Jeder konnte ihn anrufen. Und er hat die Gespräche angenommen, sich nicht verleugnen lassen und nicht belästigt gefühlt. Teil seines Erfolges war es wohl, dass er auch Einzelschicksale ernst genommen hat. Ich erzähle ihnen ein Bespiel: Mitten in der Arbeit für eine Parteitagsrede hat eine Frau weinend, spät in den Abendstunden, während eines schweren Gewitters, angerufen und geklagt, dass es in ihre Wohnung hereinregnet. Da hat Kreisky den Feuerwehrchef angerufen und dieser hat veranlasst, der Frau zu helfen.

Was war der Grund dafür, dass Kreisky seine Machtpositionen – zuerst Außenminister, dann Bundeskanzler – so lange halten konnte?

Es kommt auf die Überzeugungskraft an. Auch in der Politik kann man niemandem seine Meinung aufzwingen. Man muss sich auseinandersetzen und diskutieren. Kreisky hat bei allen, auch bei internationalen diplomatischen Verhandlungen an die Macht des Wortes und an die Dialogbereitschaft geglaubt. So war es für ihn kein Problem, wenn jemand widersprochen hat. Denn schlussendlich galt es, Kompromisse zu finden.

Man hat Bruno Kreisky ja oft nachgesagt, keine besondere Menschenkenntnis zu haben.

Da möchte ich widersprechen. Denn er hat die Menschen ohne Misstrauen auf sich zukommen lassen. Wenn er aber enttäuscht wurde, hat er seine Haltung geändert. Deshalb hat man ihm wohl nachgesagt, dass er diesen Weg ziemlich weit zugelassen hat.

Ihre Arbeit für Kreisky war sehr intensiv?

Einmal haben eine Kollegin und ich, vor einer wichtigen Parlamentsrede einen ganzen Tag, die Nacht und den nächsten Tag bis drei nachmittags durchgearbeitet. Sogar der Jumbo Jet der Swiss Air, auf dem Weg nach New York, war einer meiner Arbeitsplätze. Da habe ich Korrekturen an der Kreisky Rede vor den Vereinten Nationen vorgenommen.

Kreisky galt als Medienkanzler wie keiner vor ihm. Was macht seine besondere Wirkung im Scheinwerferlicht der Medien aus?

Er hat den Beruf der Journalisten verstanden und wusste was sie brauchen. Er selbst hat in der Emigration journalistisch gearbeitet und den finnischen Winterkrieg kommentiert. Man könnte ihn als Kriegsreporter bezeichnen. Wahrscheinlich wäre er gerne Chefredakteur der Arbeiterzeitung gewesen. Seine Beiträge hat er unter einem Pseudonym geschrieben, um seine Eltern, die noch in Wien waren, zu schützen. Die meisten Journalisten haben sich daran gehalten, wenn er Informationen „Off the record“ weitergegeben hat.

Wo sehen Sie den Unterschied zwischen der Wirtschaft und der Politik?

Wirtschaft und Politik haben sich auseinandergelebt. Das klassische Unternehmertum gibt es ja heute nicht mehr. In der globalisierten Welt hat sich das Verhältnis zwischen Wirtschaft und Politik stark verändert. Es gibt z. B. keine verstaatlichte Industrie und das klassische Unternehmertum, wo direkte Einflussnahme auf die Erhaltung der Arbeitsplätze möglich war.

Wie kommt ein Bundeskanzler zu einem halbwegs realistischen Gespür dafür, was da so im Land abläuft, wenn er von Jasagern umgeben ist?

Kreisky hat den direkten Kontakt mit der Bevölkerung gepflegt. Er war ein Politiker zum Anfassen, hat im Kontakt mit den Bürgern mitbekommen, was die sich denken. Die Leute haben sich getraut, dem Bundeskanzler die Meinung zu sagen.

Und das Gefühl für Stimmungen hat er sich bis zum Schluss bewahren können?

Ja, auf jeden Fall, denn das hat ihn sehr interessiert. Er hatte Kontakt zu allen Bevölkerungsschichten und sich nicht abschirmen lassen. Das haben wir gar nicht versucht, er hätte es auch gar nicht zugelassen. Erinnern Sie sich doch an Klagenfurt. Da hat man ihm bei der Ortstafel-Diskussion geraten, durch die Hintertüre zu gehen. Kreiskys Meinung dazu war: „Ein österreichischer Bundeskanzler geht nicht durch die Hintertüre!“

Gab es in Ihrer Zeit mit dem Bundeskanzler einen Moment, in dem Sie das Gefühl hatten, dass das der entscheidende Durchbruch in seiner Karriere war?

So ein Moment war der Parteitag im Jahr 1967, in dem Bruno Kreisky an die Spitze der Bundespartei gewählt wurde. Man hat gemerkt, dass er die Gesellschaft verändern wollte, die Lebensbedingungen der Menschen verbessern. Das ist ihm auch gelungen, das war sein Erfolg.

Was waren die schönsten Erlebnisse, also die Highlights in Ihrer Arbeit mit Kreisky?

Das war vor allem die Wahl im Jahre 1970. Das vergisst man nicht. Da standen in der Parteizentrale in der Löwelstraße die Fenster offen und ein Fackelzug näherte sich dem Gebäude. Kreisky stand am Fenster und sah in die Menge mit den brennenden Fackeln. Davon gibt es ein aussagekräftiges Foto, welches die Stimmung wiedergibt. Es gab aber auch andere schöne Momente, wie z. B. Dienstreisen zu Staatsbesuchen in verschiedene Länder, die mir Gelegenheit gaben, Menschen aus unterschiedlichsten Kulturen kennen zu lernen.

Danke für das Gespräch.

LH Dr. Peter Kaiser


Dr. Peter Kaiser ist Landeshauptmann von Kärnten und für mich schon viele Jahre ein guter Gesprächspartner. Seit Jahrzehnten ist er in der Sozialdemokratie engagiert und hat 2013 in Österreichs südlichstem Bundesland einen politischen Neubeginn herbeigeführt. Im Frühjahr 2018 stellt er sich aufs Neue dem Urteil der Wählerinnen und Wähler.

Authentizität, Menschlichkeit und eine politische Mission

Wie hat deine politische Karriere begonnen?

Auf der Schipiste mit langen, wehenden Haaren im Jugendwahlkampf für Leopold Wagner – und zwar im Jahr 1974. In der Folge habe ich mich innerhalb der sozialdemokratischen Jugendorganisationen in verschiedenen Funktionen wiedergefunden, wurde 1984 Gemeinderat in Klagenfurt und 1989 der bis dahin jüngste Landtagsabgeordnete. Zum Kärntner Landtag habe ich zwölf Jahre lang eine On-Off-Beziehung gehabt, bis wir dann ab 2001 „fix zusammen“ waren, um bei der gewählten Diktion zu bleiben. Nach der überraschenden Demission von Gaby Schaunig bin ich schließlich 2008 in die Kärntner Landesregierung gekommen.

Dann haben sich die Ereignisse überstürzt…

Das kann man ohne Übertreibung sagen. Tod des damaligen Landeshauptmannes und davon überschattet eine dramatische Wahlniederlage für die Sozialdemokratie bei den Landtagswahlen. Rund ein Jahr später habe ich dann unter sehr schwierigen Voraussetzungen in einer Kampfabstimmung den Parteivorsitz übernommen. Ich kann mich noch gut an ein Gespräch mit meiner Mutter erinnern, die mich im Vorfeld des Parteitages mit den Worten „Bub, tu das, wovon du überzeugt bist, auch wenn es nicht leicht ist“ in meiner Entscheidung bestärkt hat.

Und leichter wurde es ja wahrlich nicht…

Dem ist nicht zu widersprechen, auch wenn uns die vielen Missbräuche der Vorgängerregierung, die nach und nach aufgetaucht sind, naturgemäß politisch entgegengekommen sind. Durch den Druck der Straße und den Schulterschluss mit zwei anderen Parteien ist es uns schließlich gelungen, die Wahlen um ein Jahr vorzuverlegen. Im März 2013 wurde die alte Regierung dann abgewählt – auf diese Formulierung lege ich Wert. Seitdem amtiere ich als Landeshauptmann von Kärnten.

Eine derartige Machtposition zu erreichen, ist das eine. Diese dann aber zu festigen und ins Umsetzen zu kommen, das andere…

Aus meiner Sicht braucht es dazu über die traditionellen Führungsqualitäten hinaus, Authentizität, Glaubwürdigkeit und eine politische Mission in Form von übergeordneten Zielen. Bei mir sind das beispielsweise mehr soziales Miteinander, bessere Arbeitsbedingungen und Bildung.

Authentizität und Glaubwürdigkeit sind ja auch eine Frage der Kommunikation…

Deshalb lege ich stets großen Wert darauf, dass meine Taten und Worte nicht auseinanderklaffen. Denn wenn das passiert, wird man sehr rasch als Schwadronierer entlarvt. Auch lasse ich Kraft einer gewissen inneren Überzeugung nicht leichtfertig an mir herumwerkeln – weder äußerlich noch inhaltlich. Was mich allerdings nicht davon abhält, gegebenenfalls dazuzulernen und gescheiter zu werden.

Eine politische Karriere ist mit sehr großem Druck und Belastungen verbunden. Wie hält man das über Jahrzehnte aus?

Mit einer gewissen Grunddisziplin. Das heißt, ich bin mittlerweile so weit, dass ich anerkenne, dass nach 22 Uhr in den meisten Fällen nicht mehr viel veränderbar ist. Mit sehr viel Sport. Und mit großer Leidenschaft für meine Arbeit.

In Führungspositionen ist es oft schwer, realistische Rückmeldungen zu erhalten. Wie schafft man es, den Kontakt zu den Menschen nicht zu verlieren?

Ich komme ja aus einer Arbeiterfamilie. Meine Mutter hat uns alleine großgezogen. Diese Erfahrung hat mich geprägt und wird mich ein Leben lang erden. Ersteres widerspiegelt sich auch in meinem persönlichen Empfinden. Dabei habe ich ein sehr positives Verhältnis zu Kritik. Sie ist die Grundlage jeder Verbesserung.

Der Zugang von Frauen und Männern zu Macht: gibt es da deiner Ansicht nach wesentliche Unterschiede?

In meinem persönlichen Erfahrungsbereich schätze ich die Zusammenarbeit mit Frauen in Führungsverantwortung sehr. Ich orte hier tendenziell weniger Brimborium und dadurch mehr Zeit und Ressourcen für das Wesentliche.

Wenn du auf deine bisherige Karriere zurückblickst: was war dein erster entscheidender Durchbruch?

Die Antwort wird jetzt vielleicht etwas überraschen; aber am eindringlichsten in Erinnerung geblieben, ist mir ein Moment aus dem Jahr 1981, als das Wahlergebnis zum Landesvorsitzenden der Sozialistischen Jugend im Gemeindezentrum Viktring verlautbart wurde – und ich mit elf Stimmen Vorsprung gewonnen habe.

Apropos Jugend: Welchen Satz gibst du politisch engagierten Jungen mit auf den Weg?

Erarbeite dir Grundsätze, befolge diese und überprüfe mit dem täglichen Blick in den Spiegel, ob du sie auch einhältst.

Noch eine letzte Idee: Wenn du dir eine Zeitungsschlagzeile wünschen könntest, zum nächsten runden Geburtstag zum Beispiel, wie würde die lauten?

Ziel erreicht. Mit dem Untertitel: In Kärnten muss niemand mehr von Existenzsorgen geplagt einschlafen oder aufwachen.

Danke für das Gespräch.

Dr. Gaby Schaunig

schaunigGaby Schaunig ist Landeshauptmann-Stellvertreterin in Kärnten. Als Finanzreferentin hat sie den größten Finanzskandal in der Geschichte des Bundeslandes abgearbeitet, den andere verursacht haben. Mit Konsequenz und ohne faule Kompromisse gewinnt sie seit Jahren Respekt und Anerkennung.

„Bis hierher und nicht weiter“

Wie gelingt der Einstieg in die erste Reihe der Politik?

Die Planbarkeit für manche Funktionen ist eher begrenzt, und ich glaube, eine der wichtigsten Dinge ist, ja zu sagen, wenn man gefragt wird. Gerade Frauen tendieren sehr oft dazu, zu lange zu überlegen, die eigenen Fähigkeiten in Zweifel zu ziehen, und dann ist das Window of opportunity oft schon wieder geschlossen. Man sollte mitunter mutiger sein, Chancen zu ergreifen. Was man dann daraus macht, ist die zweite Geschichte.

Das führt direkt zur nächsten Frage: In eine Funktion zu kommen, ist das eine, ins Gestalten zu kommen, die von dir so genannte zweite Geschichte.

Ich glaube, eine der größten Herausforderungen ist es, die fachliche Autorität unter Beweis zu stellen. Das ist eine sehr langwierige und nachhaltige Arbeit, die mit viel Konsequenz verbunden sein muss. Diese Autorität auf fachlicher Ebene und ein loyales Team, das hilft, die Ideen umzusetzen, das sind für mich die zwei Grundpfeiler.

Aber die fachliche Kompetenz, die kann man ja schwer mitbringen. Man lernt ja nirgendwo Regieren. Auch in den berühmten ersten 100 Tagen nicht. Wie hast du das geschafft?

Ich möchte an die 100 Tage anknüpfen. Denn meiner Erfahrung nach, hat man am Anfang schon so eine bisschen eine Atempause und einen Vertrauensvorschuss. Diese sozusagen Schonfrist gilt es dann für konsequentes Einarbeiten in die Inhalte und Themen zu nutzen. Neben einem gewissen Grundwissen braucht man also die Fähigkeit, sich intensiv mit Dingen zu beschäftigen und Neues anzueignen.

In einer Spitzenfunktion, vor allem in der Politik, steht man ständig im Scheinwerferlicht der Medien. Wie gelingt dort Wirkung?

Das ist zum Teil gewöhnungsbedürftig, vor allem wenn man relativ jung in eine Führungsposition kommt. Aber man kann alles lernen, und es gehört für mich zur Berufsselbstverständlichkeit einer Politikerin oder eines Politikers, sich das Handwerkszeug für die Kommunikation und öffentliche Präsentation anzueignen.

Wichtig ist meiner Ansicht nach auch noch die Glaubwürdigkeit…

Dafür braucht man Grundsätze und Werthaltungen, für die man steht, und die man dann auch konsequent durch die eigene Arbeit trägt. Da Kompromisse zum politischen Alltag gehören, ist das nicht immer leicht, aber dennoch gilt es immer ganz klar eine Grenze zu ziehen, wo etwas mit den eigenen Prinzipien nicht mehr vereinbar ist.

Ich habe dich als jemanden erlebt, der auch in Extremsituationen enorm gut mit Druck und Belastungen umgehen kann. Wie hast du das geschafft?

Einerseits mit guten physiologischen Grundvoraussetzungen und andererseits mit guter Vorbereitung. Zweiteres ist das beste Mittel, um auch wirklich ruhig zu bleiben. Das habe ich vor allem in der letzten Phase der HETA-Abwicklung gelernt.

Apropos HETA: Du hast ja den größten Finanzskandal in der Geschichte des Bundeslandes prominent abarbeiten müssen, den andere verursacht haben. Wie ist es dir in dieser Phase gegangen?

Das war sicher eine Stressphase, die mit nichts anderem in meiner beruflichen Laufbahn vergleichbar ist. Schließlich war das Schicksal ganz Kärntens vom Ausgang der Verhandlungen abhängig. Mit guter Vorbereitung, den besten Beratern, einem loyalen Team und dem ab und zu notwendigen Freiraum haben wir es aber erfolgreich hinbekommen.

Erfolg wird zwangsläufig von Schulterklopfern begleitet. Wie hast du es geschafft, zu halbwegs realistischen Rückmeldungen zu kommen?

Es ist schwierig, das selbst zu beurteilen, weil natürlich jeder Mensch geneigt ist, bestätigende Rückmeldungen als die einzig wahren dieser Welt zu akzeptieren. Meine ehrlichsten und manchmal härtesten Kritiker waren und sind die Familie, mein Team und mein Freundeskreis. Auch im täglichen Diskurs mit den Menschen, hole ich mir andere Meinungen ein. Mittlerweile führen selbst total gegensätzliche Positionen dazu, dass ich meine eigene Anschauung noch einmal hinterfrage. Das war früher nicht ganz so.

Wirtschaft und Politik, du kennst beide Seiten, wo gibt es da Gemeinsames, wo siehst du Unterschiede?

Ich denke, es gibt viel Gemeinsames. Strukturen größerer Organisationen funktionieren durchaus ähnlich und die Entscheidungsprozesse, auch wenn man glaubt, dass die Wirtschaft hier rationaler abläuft, sind durchaus vergleichbar. Emotionen sind hie und da  ein großer Faktor, und das sollte man nie unterschätzen. Der große Unterschied ist, dass man in der Privatwirtschaft im Regelfall mehr Ruhe und Zeit für Entscheidungen hat, während in der Politik sehr oft großer medialer Druck da ist.

Haben Frauen und Männer ähnliche oder andere Zugänge zu Macht?

Da gibt es durchaus Unterschiede. Frauen sind generell etwas unaufgeregter und die Selbstdarstellung ist nicht so ausgeprägt. Zweiteres ist dann oft ein Nachteil, weil Chancen nicht ergriffen werden, wie eingangs schon erwähnt.

Gab es in deiner Karriere einen Moment, den du im Nachhinein als sehr entscheidenden Durchbruch empfinden würdest?

Meinen ersten Ausstieg aus der Politik. Die Fähigkeit, wenn Grenzüberschreitungen stattfinden, auch ganz klar zu kommunizieren: bis hierher und nicht weiter.

Normalerweise gilt ja „They never come back“. Du bist da eine von sehr wenigen Ausnahmen. Wie können solche Übergänge gelingen, vor allem der Ausstieg? 

Man braucht Mut, sich auf etwas Anderes einzulassen und Freude an der neuen Herausforderung. Ich habe das Glück gehabt, dass der Ausstieg ganz wunderbar gelungen ist. Das sind Jahre, die ich nicht missen möchte, und die mir in meiner jetzigen Funktion zugutekommen.

Was zählt ist, was bleibt: Gibt es so Dinge, wo du dir vorstellen könntest, schon jetzt die eine oder andere Spur hinterlassen zu haben?

Also die Abwicklung der HETA ist sicher so ein Thema, wo Kärnten wirklich nahe an einem Abgrund gestanden ist. Das ist einem Team zu verdanken, aber ich glaube, das ist durchaus eine Spur, die bleiben wird.

Was würdest du künftigen Verantwortungsträgerinnen und -trägern mit auf den Weg geben?

Chancen ergreifen, wenn sie geboten werden und sich dann von niemandem sagen lassen, wie man die Dinge gestalten soll.

Danke für das Gespräch.

Pfr. Mag. Manfred Sauer

sauerManfred Sauer ist Superintendent der Evangelischen Kirche. Kunst ist ihm besonders wichtig – als Inspirationsquelle, als Lebensexilier und um Menschen zusammenzubringen. Er ist „Seelsorger“ im wahrsten Sinn des Wortes und steht nach dem 500-Jahr-Jubiläum zur Reformation Rede und Antwort.

„Die Kunst, Menschen zusammenzubringen“

Ganz profan gefragt: Wie wird man Superintendent?

Man kann sich nicht einfach selber bewerben, sondern muss von einer der 33 Pfarrgemeinden vorgeschlagen werden. Gewählt wird man dann basisdemokratisch auf einer so genannten Superintendentialversammlung. Für das Amt des Superintendenten braucht es dort die Zweidrittelmehrheit.

Eine Machtposition zu erreichen ist das eine, diese aber auch zu nützen, das andere…

Macht kommt ja von machen, und in meinem Fall ganz besonders vom Mitmachen. Konkret vom Mitmachen anderer Menschen, die ich überzeuge, begeistere und einbinde. Es braucht ganz unterschiedliche Fähigkeiten, um ein Schiff wie unsere Kirche vorwärts zu bringen.

Als geistlicher Steuermann stehen sie auch im Scheinwerferlicht. Wie gelingt Wirkung in den Medien aus Ihrer Sicht?

Indem man gesellschaftlich relevante Themen offen und glaubwürdig anspricht. Beispielsweise habe ich in der Ortstafelfrage und zum Zusammenleben mit der slowenischen Volksgruppe schon frühzeitig Stellung bezogen. Überhaupt habe ich mich nie gescheut, Rede und Antwort zu stehen.

Glaubwürdigkeit und Glaube gehen ja Hand in Hand…

„Glaubwürdig bleiben“ war deshalb auch unser Slogan bei der Landesausstellung 2011. Ich denke, man spürt sehr schnell, wie weit Wort und Person auch zusammenhängen. Wir dürfen nicht Wasser predigen und Wein trinken.

Was hat ein kirchliches Spitzenamt mit Top-Funktionen in Wirtschaft oder Politik gemeinsam?

Dass man in solchen Positionen exponiert und gelegentlich auch sehr einsam ist, gilt für einen Konzern oder die Politik gleichermaßen. Auch dass man Menschen braucht, denen man vertraut, die einem den Rücken stärken und mit ihren Begabungen ein Stück des Weges begleiten.

Frauen und Männer in Top-Funktionen: Haben Sie da Unterschiede kennengelernt?

Frauen gehen meiner Wahrnehmung nach mit dem Thema Macht entspannter um als wir Männer. Vielleicht liegt das an einer ausgewogeneren Mischung von Bodenständigkeit und Kreativität.

Können Sie auf Ihrem Lebensweg einen Moment oder eine Situation ausmachen, wo Sie sagen würden, das war ein entscheidender Durchbruch?

Also ein wichtiges Ereignis in meiner bisherigen Amtszeit war sicher die Landesausstellung 2011 in Fresach. Was da gelungen ist, in welcher Dimension, ist schon unglaublich.

Inzwischen haben Sie die Wiederwahl geschafft…

Das war 2013.

Und heuer haben Sie dann noch ein anderes Datum abzuarbeiten gehabt: 500 Jahre Reformation. Ein erster Rückblick auf die Festivitäten in Kärnten ist schon erlaubt?

Ja, und es ist eine sehr vielfältige und schöne Bilanz. Denn wir haben nicht nur den Blick in die Vergangenheit gerichtet und Martin Luther als unseren evangelischen Heiligen präsentiert, sondern die Kernthemen unserer Reformation unter dem Stichwort „Freiheit und Verantwortung“ zusammengefasst und in aktuellen Bezug gebracht. Beispielsweise in Hinblick auf brisante Themen wie Überwachungsstaat oder gläserner Mensch. Und das eingangs erwähnte Thema Kunst war natürlich auch prominent vertreten. Unter anderem ist in Villach ein Kunstwerk als sichtbares Zeichen für das Jubiläum entstanden und vom italienischen Künstler Cesare Lievi ein Theaterstück geschrieben worden.

Apropos Bilanz: Was zählt ist, was bleibt, könnte man sagen. Gibt es jetzt schon Dinge, wo Sie glauben, Spuren hinterlassen zu haben?

In unserem Beruf als Pfarrerin und Pfarrer ist es ganz wichtig, dass es nachhaltig gelingt, Menschen in unterschiedlichen Lebenssituationen glaubwürdig und authentisch seelsorgerlich zu begleiten. Darüber hinaus hat bei mir halt die Kunst schon immer eine besondere und bleibende Rolle gespielt. Sie ist für mich Inspirationsquelle, Lebenselixier und eine Chance, Menschen zusammenzubringen. Das Museum in Fresach, die Kirche in Pörtschach mit den Glasfenstern, die Professor Tichy gestaltet hat. Oder die Kirchen in Krumpendorf und Fresach mit den Fenstern von Glawischnig beziehungsweise Huber. Das sind Dinge, die bleiben werden, zumindest eine Zeit lang. Aber wie singt ja unser Rainhard Fendrich so schön: Erinnerung is nua a Reifenspur im Sand, da Wind wahts zua oft vü zu fruah, host’as nimma in der Hand.

Ein Blick in die Zukunft: Was möchten Sie künftigen Verantwortungsträgern und Verantwortungsträgerinnen mit auf den Weg geben?

Ganz wichtig ist, die Bodenhaftung nicht zu verlieren. Dann möchte ich den Schweizer Reformator Huldrych Zwingli zitieren: Tu um Gottes Willen etwas Tapferes. Damit meine ich beispielsweise, Entscheidungen zu treffen, auch auf die Gefahr hin, falsch zu liegen. Es muss einen Punkt geben, wo einer sich hinstellt und sagt, so machen wir das, und das dann auch verantwortet. Und zu guter Letzt möchte ich noch ein gewisses Gottvertrauen in Form von Gelassenheit, Zuversicht, und positiver Grundhaltung einmahnen.

Danke für das Gespräch.

Dr. Franz Vranitzky

Franz VranitzkyFranz Vranitzky war zehn Jahre lang Bundeskanzler. Obwohl inzwischen mehr als 20 Jahre vergangen sind, gilt er bis heute als der letzte österreichischer Bundeskanzler mit internationaler Reputation. Ein Resümee zum 80. Geburtstag.

„Eine Frage der Glaubwürdigkeit“

Wie begann die „Ära Vranitzky“?

Nachdem der damalige Bundeskanzler Fred Sinowatz im Jahr 1984 an mich heran getreten war, in das Finanzministerium einzusteigen, habe ich Bedenkzeit erbeten. Hauptsächlich aus Verantwortung gegenüber meinem damaligen Arbeitgeber, der Länderbank. Inmitten meiner Nachdenkphase habe ich dann eines Morgens die Zeitung aufgeschlagen und gelesen, dass meine Ernennung zum Finanzminister fix ist. Dadurch wurde mir die Entscheidung eigentlich weggenommen.

Und zwei Jahre später kam der Wahlkampf zur Bundespräsidentenwahl…

Bundeskanzler Sinowatz und andere haben sich gegen Kurt Waldheim sehr exponiert. Und als Waldheim dann die Wahl gewann, hat mir der Bundeskanzler in einem sehr freundschaftlichen und vertraulichen Gespräch die Nachfolge angeboten.

Einstieg in die Politik als Finanzminister, zwei Jahre später Bundeskanzler. Viele politische Quereinsteiger scheitern dagegen. Wie lautete dein Erfolgsgeheimnis?

Die damalige politische und wirtschaftliche Situation hat einhundert Prozent an Einsatz gefordert, und ich war bereit diesen Einsatz zu bringen. Als erfolgreicher Sportler wusste ich: Nur was man mit Haut und Haaren macht, macht man auch gut.

Nachgefolgt bist du Sinowatz auch als Parteivorsitzender…

Ja, und nicht alle in der SPÖ haben meinen Werdegang als selbstverständlich erachtet und mir wurde mitunter eine gewisse Ideologieferne vorgeworfen. Dabei wusste ich als Sohn einer Wiener Arbeiterfamilie, was es bedeutet, sehr bescheiden zu leben – ohne meine Kindheit dramatisieren zu wollen. Schon früh wurde ich außerdem durch die streng antifaschistische Haltung meiner Eltern geprägt. Und mein Studium habe ich mir dann teilweise als Bau- und Fabriksarbeiter oder Pakerlschupfer bei der Post finanziert.

Dein Vorvorgänger als Parteichef und Bundeskanzler war der legendäre Bruno Kreisky, in dessen ehemaliger Wohnung, dem heutigen Bruno Kreisky Forum, wir hier sitzen. Was war deine Motivation dieses Forum zu gründen?

Ich habe die Idee verwirklicht, aus diesem Haus ein internationales Dialogzentrum zu machen, ganz im Sinne des Charakters und des Schwerpunktdenkens Bruno Kreiskys als Außen- und Weltpolitiker. Es hat sich in den 20 Jahren seines Bestehens einen sehr guten Ruf erarbeitet und ist mittlerweile ein fester Bestandteil für alle Bürger, die an internationalen Entwicklungen interessiert sind.

Wie war dein persönliches Verhältnis zu Bruno Kreisky?

Nicht immer friktionsfrei. Konkret war Kreisky gar nicht einverstanden mit einem Außenminister Alois Mock, den ich in den Verhandlungen 1986 bis 1987 aus Koalitionsgründen akzeptierte. Er war mir deshalb sehr böse. Doch nach einiger Zeit hat sich unser Verhältnis wieder in ein sehr positives verwandelt. Ich bin oft in diesem Haus zu Gast gewesen – vor allem in den letzten Monaten seines Lebens. Wenn er mir Ratschläge gegeben hat, und das war oft der Fall, dann immer mit der Anmerkung, dass ich mich nicht daran halten müsse. Nachsatz: Aber schlecht wäre es nicht.

Bruno Kreisky galt ja als der erste „Medienkanzler“. Dein Zugang zu Fernsehen, Presse & Co.?

Man braucht die Medien, um mit den Menschen zu kommunizieren. Ich war und bin deshalb immer bemüht, meine Standpunkte nach bestem Wissen und Gewissen zu vermitteln. Jede Art von Mauschelei lehne ich aus Prinzip ab. Das ist für mich eine Frage der Glaubwürdigkeit.

Letztere scheint zunehmend zum Opfer von Vereinfachung zu werden. Gehört die Zukunft den Populisten?

Ich halte es hier mit Willy Brandt, zu dessen politischem Vermächtnis die Kunst des Sowohl-als-auch gehört. Leider jedoch wird ein Entweder-oder zunehmend von den Medien eingefordert und die differenzierte Vermittlung eines komplexen Sachverhaltes als Politsprech negativ beurteilt. Nur weil eine Antwort einfach klingt, heißt das aber noch lange nicht, dass sie auch richtig ist. Oft das Gegenteil.

Als Politiker ist man großen physischen und psychischen Belastungen ausgesetzt. Wie hast du das ausgehalten?

Als Basketballer habe ich eine gute Grundkondition mitgebracht. Die hat mir über so manche Marathonsitzung geholfen. Später habe ich mich dann mit Ausgleichssport von Wandern bis Schwimmen fit gehalten. Außerdem war ich immer mit Begeisterung im Land und bei den Menschen unterwegs, was vieles erleichtert hat.

Wie hast du es geschafft, den vielzitierten „Draht zum Volk“, die Bodenhaftung nicht zu verlieren?

Man darf sich nicht im Bundeskanzleramt einsperren. Selbst sehr gute Mitarbeiter ersetzen nicht das Gespräch mit dem Bürger. Also war ich so oft wie möglich unterwegs und habe den direkten Kontakt gesucht.

Politik und Wirtschaft: Fehlt es dem Bundeskanzler im Gegensatz zu einem Vorstandsvorsitzenden an Entscheidungsmacht?

Man muss die Mahlzeiten so einnehmen, wie sie angerichtet werden, und wir haben eben das Prinzip der Richtlinienkompetenz des Bundeskanzlers nicht. Daher muss die Meinungsbildung auf andere Weise zum Abschluss kommen. Vor allem in einer Koalition kann das zu einer wahren Sisyphusarbeit werden.

Wenigstens eine Sache hat jeder Politiker in der eigenen Hand: Souverän die Umstände zu bestimmen, wie und wann er geht. Im April 1997 bist du auf einem Parteitag in Linz unter lang anhaltenden Standing Ovations abgetreten. Weshalb fehlt österreichischen Politikern meist das Talent zu einem solchen Abgang?

Ich habe mir vorgenommen, zehn Jahre im Amt zu bleiben, und daran habe ich mich dann in etwa auch gehalten. Und diese Vorgangsweise war wesentlich angenehmer, als abgewählt zu werden oder wegen einer skandalösen Entwicklung abtreten zu müssen. Wenn ich das sehr persönlich anmerken darf.

Ein Wort zu deinem Nachfolger…

Ich habe Viktor Klima mit großer Überzeugung für meine Nachfolge als Bundeskanzler und Parteivorsitzender vorgeschlagen. Dementsprechend gefreut habe ich mich auch über die gelungene Übergabe. Leider hatte Klima dann das zeitgeschichtliche Pech, dass die ÖVP unter Wolfgang Schüssel in Richtung Haider gegangen ist und einen Weg eingeschlagen hat, über den viele heute noch den Kopf schütteln.

Was kann man jungen Menschen heutzutage mit auf den Weg geben?

Das ist wahrscheinlich eine der komplexesten Fragen der Politik überhaupt. Von zentraler Bedeutung sind zweifellos eine gute Ausbildung und eine gewisse Sicherheit, was die Zukunft betrifft. Auch sollte die Politik die Sprache der Jugend sprechen.

Ich darf dich um ein Resümee bitten…

Abschließend möchte ich meinen Dank für dieses Gespräch verknüpfen mit der Hoffnung, dass sich die sozialdemokratische Bewegung bewusst bleibt, dass gesellschaftliche Zusammenhänge nicht an unseren Staatsgrenzen enden. Ich sage dies vor dem Hintergrund der aktuellen Migrationsbewegungen, die ja ganz katastrophale Ursachen haben. Es ist schließlich nicht so, dass sich da ein paar aufmachen und einen Ausflug nach Mitteleuropa machen wollen, sondern die kommen, weil in ihren Ländern Mord und Totschlag auf der Tagesordnung stehen und sie um ihr Leben laufen. Daher habe ich schon die Hoffnung, dass wir unserem Gedankengut der Gerechtigkeit und des sozialen Zusammenhalts treu bleiben und die Internationale nicht nur singen, sondern auch leben.

Danke für das Gespräch!

Dr. Christof Zernatto


zernattoChristof Zernatto war Landeshauptmann von Kärnten. Als Vorsitzender der drittstärksten Partei ist er in einer besonderen Phase in Kärnten fast 10 Jahre an der Spitze des Landes gestanden. Ein erfrischender Rückblick.

„Vom Herrgott positives Naturell mit auf die Reise gegeben“

Sie waren von 1991 bis 1999 Landeshauptmann von Kärnten. Wie gelingt der Weg in die erste Reihe der Politik?

Man muss in erster Linie ein politischer Mensch sein. Ich komme aus einer Familie, die immer politisch interessiert war. Die Politik liegt bei uns also im Blut. Aber es sind natürlich wie in anderen Lebensbereichen auch die Zufälle, die eine wichtige Rolle spielen. Bei mir war es der Zufall, dass mich die ÖVP in Treffen 1985 gefragt hat, ob ich auf ihrer Liste für den Gemeinderat kandidieren will. Weil die Wahl für die Partei sehr schlecht ausgegangen ist, habe ich sie übernommen und bin gleichzeitig in den Gemeinderat eingezogen.

Eine Kehrseite der Politik ist wohl die Tatsache, dass man wenig oder gar kein Feedback erhält …

Ich habe versucht, immer ziemlich erdverbunden zu bleiben. Ich komme aus einem Umfeld, wo es keinen Grund dafür gab, in irgendeiner Weise abzuheben. Ich habe allerdings immer eine Funktion gehabt, die wichtig war, in der ich entscheiden habe können.

Sie haben nicht die Politik gebraucht, um eine Machtposition zu haben. Eine solche hätten Sie ja auch in der Wirtschaft haben können.

Für mich war es immer entscheidend, Bodenhaftung zu bewahren. Es gehört zum politischen Job dazu, dass man rund um sich einen Haufen Schmeichler und Menschen hat, die nicht ganz ehrlich bei der Bewertung der jeweiligen Performance sind. Aber ich sage mit einem Schuss Ironie dazu: Das ist bisweilen nicht unangenehm, weil man das hin und wieder braucht.

Das Feedback in der Wirtschaft ist also nüchterner?

Das ist jedenfalls nüchterner. Möglicherweise hängt das damit zusammen, dass die durchschnittliche Verweildauer eines CEO in einem börsennotierten Unternehmen irgendwo zwischen dreieinhalb und fünf Jahren liegt. Von den Medien wirst du als Politiker zu einem Zeitpunkt um deine Meinung gefragt, wo man in der Wirtschaft seriöserweise noch gar keine Meinung vertreten würde. In der Politik wird von dir eine absolute Antwort am Tag der Problem-Entstehung erwartet. Anfangs habe ich

immer geantwortet: Da muss ich mich erst schlau machen. Ich bin nachgeritten wie eine alte Urschel, wie man in Kärnten zu sagen pflegt. Bis ich dann selbst eine gewisse Sicherheit bekommen und bemerkt habe, dass ich zu 85 Prozent mit meiner Einschätzung ohnehin richtig liege.

Wie hält man zehn Jahre lang eine Spitzenposition in der Politik aus? Wie schafft man es, mit Druck, Belastungen, Schlafmangel und Sieben-Tages-Wochen umzugehen?

Ich habe das Glück, dass mir der Herrgott ein positives Naturell mit auf die Reise gegeben hat. Aber ich kann rückblickend durchaus bestätigen, dass ein Spitzenjob in der Politik eine extreme Belastung darstellt. Man braucht nur einmal meine Fotos vom Beginn meiner Regierungstätigkeit mit jenen an deren Ende zu vergleichen. Eine solche Funktion hinterlässt Spuren. Manche davon sind reversibel, wenn man wieder draußen ist.

Wie kann man die Zeit an der Spitze des Landes analysieren?

Was die Familie in dieser Zeit aushalten muss, ist an der Schmerzgrenze. Und wenn du jedes Bier und jedes Achterle trinkst, das sich im Laufe eines Tages am Wegesrand aufbaut, bist du wahrscheinlich bald Alkoholiker und verlierst die Widerstandskraft. Ich habe etwas getan, was ich ohne Politik nie getan hätte, weil ich nicht der Typ dafür bin. Ich bin täglich sehr früh aufgestanden und um 6 Uhr früh laufen gegangen mit einem Körper, der dafür überhaupt nicht geeignet ist.

Sie kennen beides: Toppositionen in der Wirtschaft und in der Politik. Wo sind die Gemeinsamkeiten, wo liegen die Unterschiede?

Es gibt einen ganz wesentlichen Unterschied: Während die Politik auf demokratischen Strukturen basiert und jede Entscheidung mehrere demokratische Prozesse erfordert, schaut das in der Wirtschaft ganz anders aus: Die Wirtschaft ist nach wie vor ein hierarchisches Gebilde. Dort wird von einem Chef erwartet, dass er nach einer Diskussion endgültige Entscheidungen trifft. Nachher wird abgerechnet, ob die Entscheidung richtig war. Das ist auch der Grund dafür, dass viele in der Wirtschaft erfolgreiche tätig Menschen die Politik nicht verstehen, nicht verstehen können.

Politikerkarrieren sind heute längst nicht mehr auf ein ganzes Berufsleben ausgerichtet. Wie gelingt ein guter Übergang? Ist eine Laufbahn außerhalb der Politik überhaupt noch möglich, ohne Schaden zu nehmen?

Der Übergang aus einer politischen Funktion in eine privatwirtschaftliche wird dann leicht gelingen, wenn man auch ein Leben vor der Politik gehabt hat. Ich kann jeden nur davor warnen, der sich vor seinem 18.Lebensjahr dazu entschließt, Politiker zu werden. In Österreich gibt es für Politiker, die in ihrem ganzen Leben nur in der Politik waren, keine wirkliche Option mehr nach der politischen Karriere. Das ist auch der Grund dafür, dass bei uns der Anteil der Politiker aus dem öffentlichen Bereich sehr hoch ist.  Dort hat man kein berufliches Risiko.

Sie haben nie ein Sicherheitsnetz gebraucht?

Nein, mir hat die Politik keine Unterstützung geboten nach dem Ausscheiden. Die ÖVP spielt ja in Kärnten seit jeher eine bescheidene Rolle. Da hat sich kein Mensch darum gekümmert, was aus dem Zernatto wird. Ich war damals gerade 50 Jahre alt und musste mir die bange Frage stellen: Was machst du jetzt?  Die Chance, nach der Politik wieder auf die Füße zu kommen, hast du nur, wenn du wieder mit der selben Begeisterung und mit derselben Abenteuerlust von vorne anfängst.

Danke für das Gespräch.

Mag. Dr. h.c. Monika Kircher

Monika KircherMonika Kircher war in  Non-Profit-Organisationen tätig, Vizebürgermeisterin der Stadt Villach und Vorstandsvorsitzende von Infineon Austria. In ihren Funktionen gilt sie bis heute als Vorbild für Frauen und Männer. Zum runden Geburtstag ein Resümee über beeindruckende Erfahrungen.

„Führung beginnt bei sich selbst“

Wie ist dir der Einstieg in die erste Reihe von Politik und Wirtschaft gelungen?

Ich hatte immer das Glück, dass es Menschen gab, die an mich geglaubt und mir Türen geöffnet haben. Ich war ja eher die Frau, die eingeladen werden wollte. Der Rest war harte Arbeit. Geholt wurde ich wegen meiner Persönlichkeit und Führungsqualitäten. Führung beginnt schließlich immer bei sich selbst, in der Politik, im Unternehmen, aber auch in der Zivilgesellschaft.

Eine Machtposition zu erreichen, ist das eine. Diese dann auch auszufüllen, das andere…

Ich bin an jede Aufgabe mit Respekt herangegangen. Damit meine ich vor allem, dass ich mir beim Einarbeiten Zeit gelassen habe. Und da rede ich bei komplexen Herausforderungen von ein bis zwei Jahren. Parallel dazu gibt es natürlich auch Dinge, die man sofort entscheiden muss.

Komplex ist auch die Welt der Medien: Wie bist du mit dem Scheinwerferlicht umgegangen?

In der Politik ist die Abhängigkeit vom medialen Bild viel größer als in der Wirtschaft. Täglich überrascht zu werden von Themen, die irgendjemand für wichtig hält, ist nicht die Welt der Industrie. Ohne die Bedeutung von Kommunikation für ein börsennotiertes Unternehmen schmälern zu wollen.

Die Politik wird ja generell eher vom Tagesgeschäft dominiert…

Ja, leider. Dabei wäre es in der Politik genauso wie in einem großen Industrieunternehmen extrem wichtig, strategisch zu agieren. Zuerst zu wissen, wo will ich langfristig hin, wo unterscheide ich mich von anderen, wo sind die Stärken und wo gibt es Bedrohungspotentiale? Auf dieser Basis erst kann ich dann aus mehreren Optionen möglichst belastbare kurzfristige Entscheidungen treffen.

In der Politik und im Topmanagement ist es schwierig, ehrliches Feedback zu bekommen. Wie ist es dir gelungen, nicht nur von Ja-Sagern umgeben zu sein?

In der Politik habe ich immer versucht, zwischen meiner Funktion und meiner Person zu trennen, um die Hemmschwelle für Rückmeldungen zu senken. In der Wirtschaft hatten wir dann ein ausgeklügeltes Feedback-System, das fixer Bestandteil des Personalentwicklungsprozesses war.

Wie hast du es geschafft, über Jahrzehnte mit Druck und Belastungen umzugehen?

Ich unterscheide zwei Arten von Druck: die unter Anführungszeichen normalen Belastungen, die ein Spitzenjob mit sich bringt, und den kränkenden Druck, der vor allem in der Politik zu finden ist. Zweiteren habe ich viel schlechter ausgehalten. Zumal ich ein Mensch bin, der mit seiner persönlichen und familiären Privatsphäre gerne in Ruhe gelassen wird.

Wirtschaft und Politik: Gibt es da viele Gemeinsamkeiten?

In unserer Gesellschaft beginnt alles mit dem Thema Eigenverantwortung. Egal ob als Bürgerin, Unternehmenschefin oder Funktionärin in der Politik, letztlich ist es entscheidend, wie ich mich selbst verhalte.

Führung schließt ja immer auch unpopuläre Maßnahmen mit ein, beispielsweise Stellenabbau in Krisenzeiten…

Das waren sicher die bittersten Phasen an der Spitze. Weil es aber um die Zukunft des gesamten Unternehmens ging, konnte ich trotzdem noch in den Spiegel schauen. Infineon steht heute so gut da, weil wir eine langfristige Strategie hatten und kurzfristig taten, was wir tun mussten.

Du hast dich immer dafür eingesetzt, dass Frauen Verantwortung übernehmen: Ist der weibliche Zugang zu Macht ein anderer?

Ich glaube, wir befinden uns in einer Phase, in der die typisch männlichen und weiblichen Rollenbilder mehr und mehr verschwimmen. Trotzdem gibt es die gesellschaftspolitisch tradierten Klischees noch. Wir sind da sicher weiter hinten als andere Länder. Wir brauchen nach wie vor Frauen, die bereit sind, sich aus der Komfortzone zu begeben. Und wir brauchen Männer, die ihre männlichen Netzwerke öffnen und bei Eignung und Leidenschaft dafür in Frauen-typische Berufe gehen wie Pflege oder Frühkind-Pädagogik.

Auf deinem Weg: Was waren entscheidende Durchbrüche, wo du gespürt hast, da ist wirklich etwas Schönes gelungen?

Die Geburten meiner Kinder möchte ich als erstes nennen. Das waren unfassbar schöne Erlebnisse und große Geschenke. Beruflich waren es vor allem jene Phasen, in denen ich mich aus der Komfortzone hinausgewagt habe. Ich habe auch öfter mal Nein zu sehr guten beruflichen Angeboten gesagt. Meistens im Interesse der Familie. Auch darauf bin ich im Nachhinein stolz. Das sind sehr entscheidende Momente gewesen und ich bin dankbar, dass ich derer viele hatte und auch das Gefühl, ich bin nicht Opfer meines Lebens, ich entscheide selbst.

Durchaus stolz sein, kannst du auch auf deine selbstbestimmten Abschiede aus Politik und Wirtschaft. Wie gelingen solche guten Übergänge?

Erstens sollte man nicht alles dem Job unterordnen, sein Privatleben nicht vernachlässigen und Freundschaften pflegen. Darüber hinaus muss man sich ständig vor Augen halten, dass jeder mehr oder weniger seines Glückes Schmied ist. Denn wir leben in der luxuriösen Situation in Mitteleuropa, dass wir letztlich alle mehrere Optionen haben. Manchmal fehlt einfach nur der Mut, Neues auszuprobieren.

Welchen Tipp würdest du den Verantwortungsträgern von morgen noch mitgeben, außer, Neues auszuprobieren?

Dass sie den Druck rausnehmen sollen, sich nichts dreinreden lassen und ihre Jugend genießen. Mit 25 darf man noch Fehler machen, und muss nicht gleich mit drei abgeschlossenen Studien in eine Führungsposition gehen.

Danke für das Gespräch.

Dkfm. Ferdinand Lacina

Ferdinand LacinaFerdinand Lacina war Wirtschaftsexperte, Mitarbeiter Bruno Kreiskys, später Staatssekretär, Minister für öffentliche Wirtschaft und schließlich Finanzminister. Er hat sich nur ungern verkaufen lassen und war vielleicht gerade deshalb ein beliebter und vertrauenswürdiger Spitzenpolitiker.

„Ich habe mich nur ungern verkaufen lassen“

Wie hat deine politische Karriere begonnen?

Ich war geprägt von den Erfahrungen meiner Elterngeneration mit Arbeitslosigkeit, Diktatur und Faschismus, die ich in eine wirtschaftspolitische Tätigkeit einfließen lassen wollte, hatte aber nie vor, Politiker zu werden. Das ist eigentlich zufällig gekommen. Ich bin nach langen Jahren in der Arbeiterkammer von der ÖIAG ins Kabinett von Bruno Kreisky berufen worden. Nachdem kurz vor Ende der Legislaturperiode der damalige Staatssekretär im Bundeskanzleramt überraschend verstorben ist, habe ich auf Wunsch Kreiskys dessen Platz eingenommen. Und unter Bundeskanzler Fred Sinowatz bin ich schließlich zum Minister aufgestiegen.

Die Zusammenarbeit mit Kreisky war sicher faszinierend…

Ich erinnere mich an ihn als auch unter Druck ungeheuer angenehmen Chef, von dem man täglich lernen konnte. Es war ein Vergnügen auf unseren gemeinsamen Dienstreisen seinen Geschichten über die Partei und die Österreichische Republik zuzuhören.

Eine Machtposition zu erreichen ist das eine, etwas zu bewegen das andere…

Dazu braucht es möglichst gute Mitarbeiter, die einem auf Augenhöhe begegnen. Sehr wichtig sind zudem Gesprächskultur und -bereitschaft. Man muss auch zuhören können.

Ständige Zuhörer und -seher der Politik sind ja die Medien…

Ich habe immer versucht, mich nicht allzu sehr in den Vordergrund zu spielen. Das Bad in der Menge habe ich nicht gebraucht. Überhaupt habe ich mich nur sehr ungern verkaufen lassen. Die Kommunikation nach außen war für mich ganz klar der Part des Bundeskanzlers und Parteivorsitzenden. Letzten Endes habe ich mir dadurch auch eine gewisse Unabhängigkeit für die Zeit nach der Politik bewahrt.

Wie bist du mit dem enormen Druck und den Belastungen fertig geworden?

Ich habe wenig aber immer gut geschlafen. Mein die Arbeit betreffend reines Gewissen war sozusagen ein sanftes Ruhekissen. Auch Humor war für mich immer ein wichtiges Ventil.

Wie hast du dir das Gespür für die Menschen bewahrt?

Erstens habe ich auch als Minister ein einigermaßen normales Leben geführt, bin zum Beispiel regelmäßig mit der U-Bahn gefahren. Und zweitens gab es ein paar Journalisten, deren Meinung mir sehr wichtig war, ohne dass ich mit ihnen verhabert gewesen wäre, wie man so schön sagt.

Wirtschaft und Politik; mehr Gemeinsamkeiten oder Unterschiede?

In der Wirtschaft ist Teamarbeit besser möglich. Als Regierungsmitglied ist man eher auf seine Mitarbeiter angewiesen als auf seine Kollegen. Ausgenommen der Regierungschef vielleicht.

Ist der weibliche Zugang zu Macht ein anderer als der männliche?

Frauen haben es in der Politik wesentlich schwerer als Männer. Das beginnt bei der überkritischen Betrachtung des Aussehens und endet bei der Stimmlage. Meiner Erfahrung nach sind Politikerinnen auch mit viel mehr Aggressionen konfrontiert. Quoten sind für mich deshalb unumgänglich.

Gab es im Lauf deiner politischen Karriere Momente, in denen du das Gefühl hattest, einen wirklichen Durchbruch geschafft zu haben?

Ein derartiges Gefühl sollte wegen der dauernden Kompromisse nie so recht aufkommen. Selbst bei der Steuerreform 1987/1988 habe ich nicht alles erreicht, was ich wollte. Auch wenn sie von manchen als größte Steuerreform aller Zeiten bezeichnet wurde. Ich persönlich hätte so etwas nie in den Mund genommen.

Immer weniger Politiker gehen in Pension. Wie kann ein guter Übergang gelingen, beispielsweise in die Wirtschaft?

Für mich ist ein politisches Amt eine zeitlich begrenzte Funktion und weniger eine Berufung oder ein Beruf. Berufspolitiker, die vorher nie etwas anders gemacht haben, sind abhängig, und das ist nicht gut für deren Rückgrat. Eine öffentliche Funktion sollte jemanden auch nicht automatisch für andere Aufgaben disqualifizieren, wie es leider häufig der Fall ist.

Welche geopolitischen Highlights fallen dir rückblickend ein?

Der Zerfall der Sowjetunion, die Überwindung der Teilung Europas und der Eintritt Österreichs in die Europäische Union. All das habe ich als Minister hautnah miterlebt.

Was möchtest du Verantwortungsträgern von morgen mit auf den Weg geben?

Den vielzitierten Spruch von Max Weber, wonach Politik das Bohren harter Bretter ist. Und dass sie die Bedeutung eines Amtes nie mit der Bedeutung des Menschen, der dahinter steht, verwechseln dürfen.

Zum Abschluss darf ich dich um ein Resümee ersuchen.

Dass man in wirtschaftlichen und politischen Spitzenfunktionen einen relativ breiten Hintergrund haben und sich immer eine gewisse Unabhängigkeit bewahren sollte.

Danke für das Gespräch.