Dr. Andreas Khol

kholProf. Dr. Andreas Khol war schon lange vor seiner Kandidatur für das Amt des österreichischen Bundespräsidenten einer der profiliertesten Vertreter der ÖVP: Als Klubobmann und Nationalratspräsident hatte er jahrelang Schlüsselpositionen inne, weshalb sein Resümee besonders spannend ist.

Wir müssen wiederauf die Stärken unseres Landes bauen.

Wie beginnt man, um in die erste Reihe der Politik zu kommen?

Ich war ein Quereinsteiger, der im Jahr 1974 als Wissenschaftler mit internationaler Erfahrung von Alois Mock gebeten wurde, die politische Akademie der ÖVP zu übernehmen. Der spätere Bundesparteiobmann, Vizekanzler und Außenminister wurde in der Folge zu meinem politischen Ziehvater. Und im Mai 1983 bin ich dann auch an seinen Rockschößen in den Nationalrat eingezogen.

Alois Mock hat Ihnen also den Weg in den Nationalrat geebnet?

Ja, aber ab diesem Zeitpunkt habe ich meine Karriere einzig und allein den Wählerinnen und Wählern und nicht der Partei zu verdanken. Ganz im Gegenteil habe ich mich im Jahr 1994 zum Klubobmann regelrecht hinaufgeputscht, indem ich eine parteiinterne Abstimmung gegen den Kandidaten des ÖAAB erzwungen und haushoch gewonnen habe.

Klingt nicht nach „Willkommen im Klub“…

Der Klub war damals ein richtiger Sauhaufen. Aber ich brachte den Willen und die Charaktereigenschaften mit, das zu ändern. Dazu zähle ich vor allem Sachkunde, Fleiß und Courage. Ein guter Klubobmann darf nicht konfliktscheu sein. Er muss Leuten, die beispielsweise die Klubdisziplin verletzen, das Gestell richten.

Sie haben also ihrem Nachfolger ein geordnetes Haus übergeben?

So muss es gewesen sein. Denn als ich Ende 2002 darum bat, Erster Präsident des Nationalrates werden zu dürfen, konnte der damalige Parteiobmann Wolfgang Schüssel nicht Nein sagen.

Apropos Nein sagen: Eine Facette der Politik ist, dass man so gut wie kein ehrliches Feedback bekommt. Wie haben Sie es geschafft, die Bodenhaftung nicht zu verlieren?

Mein wichtigstes Kontrollgremium ist die Familie. Vor allem meine Kinder sagen mir immer unbarmherzig barmherzig die Wahrheit. Und immer gab und gibt es ein sehr gutes Feedback bei Basisveranstaltungen. Innerhalb des Seniorenbundes beispielsweise in den Ortsgruppen.

Sie selbst haben sich ja auch selten ein Blatt vor den Mund genommen und waren und sind als schlagfertiger und scharfzüngiger Politiker berühmt-berüchtigt. Was macht einen guten Redner aus?

Erstens: die freie Rede ohne Manuskript oder Spickzettel. Und zweitens: eine bild- und beispielhafte Sprache. Verbadocent, exemplatrahunt, wie der Lateiner sagt. Dazu kommt mein ganz persönliches Erfolgsgeheimnis: Als Theaterfan und Vielleser fällt mir auch noch während einer Rede sehr viel ein.

 Eine bild- und beispielhafte Sprache ist natürlich auch im Umgang mit Medien von Vorteil…

Das stimmt. Gute Sager sind wichtig. Aber auch klare Regeln: Man muss gegenüber Journalisten immer ehrlich sein, andererseits aber auch darauf vertrauen können, dass mit Informationen fair und wie vereinbart umgegangen wird. Ein Journalist, der sich nicht an diese Regeln hält, wird von mir nicht mehr bedient.

Soweit Ihr rhetorisches Geheimnis. Verraten Sie uns auch: Wie bleibt man trotz Jahrzehnten in einer Spitzenposition voller Stress und Termindruck so fit?

In meiner aktiven Zeit habe ich immer auf ein Minimum an Schlaf geachtet. Das habe ich übrigens von Wolfgang Schüssel gelernt. Auch beim Rauchen, beim Alkohol und bei der Ernährung war ich immer sehr diszipliniert. Und seit meinem 50. Geburtstag mache ich jeden Tag zwanzig Minuten Bodengymnastik oder Bewegung, um fit zu bleiben.

Der Politikerberuf ist also sehr zeitintensiv. Zu zeitintensiv für viele Frauen?

Für Mandatarinnen auf Bundesebene ist es zugegebenermaßen immer noch etwas schwierig, weil frau die Familie dann doch tagelang alleine lassen muss. Grundsätzlich aber können heutzutage Frauen in der Politik alles, was Männer können, oft sogar besser. Margaret Thatcher hat man ja früher sogar als “theonly man in her cabinet” bezeichnet.

Die Frauenquote ist auch in der Wirtschaft immer wieder Thema. Inwiefern sind Wirtschaft und Politik vergleichbar?

Da gibt es völlig andere Mechanismen. Vor allem bei Entscheidungen. Als Politiker muss man dabei immer auf die eine oder andere Gruppe Rücksicht nehmen und konsensorientiert denken. In der Wirtschaft entscheidet dagegen letzten Endes allein der Generaldirektor. Dazu kommt: Die Wirtschaft kann auch ganz bewusst problematische Entscheidungen treffen, gesetzwidrige. Der Zweck heiligt da oft die Mittel. In der Politik muss man dagegen mit Verantwortung für das Gemeinwohl handeln.

Als Politiker muss man also mehr Rücksicht nehmen…

Ja, auch auf die eigenen Leute, die schließlich bei Entscheidungen mitgehen müssen. Sie kennen wahrscheinlich das Erzherzog-Karl Denkmal auf dem Heldenplatz. Wie der Erzherzog mit der Fahne in der Hand gegen Napoleon reitet. Da blickt er nach hinten. Und warum: Weil er schaut, ob ihm seine Männer in die Schlacht folgen. So ist es auch in der Politik. Man kann nicht alleine reiten.

Sie werden heuer 75. Was halten Sie vom zunehmenden „Jugendwahn“ in der Politik?

Karrieren, wie sie der Sebastian Kurz jetzt macht, sind spektakulär, aber die können auch scheitern. Deshalb rate ich jungen Leuten, eher erst dann in die Politik zu gehen, wenn sie eine Familie gegründet und eine Ausbildung abgeschlossen haben, die sie unabhängig macht. Als Politiker muss man sich der Endlichkeit des Vertrags mit dem Volk bewusst sein. Das hat niemand in der Tasche.

Auch ich komme jetzt zum Ende und ersuche Sie um ein kurzes Schlussstatement…

Ich möchte den Verantwortungsträgern von morgen mit auf den Weg geben, dass Politik große Freude bereiten kann, wenn man nur mit den richtigen Erwartungen an die Sache herangeht. Geld oder Macht sind die völlig falsche Motivation. Wir brauchen in der Politik einen klugen Gegenpol zu den Angstmachern. Unser Land hat viele Stärken. Stärken, mit denen wir immer schon besser als andere durch unsichere Zeiten gekommen sind. Stärken, die unser Land groß gemacht haben. Das Gemeinsame, das Miteinander. Auf diese große Erfahrung müssen wir bauen. Ja, es ist Zeit, gerade in schwierigen Zeiten wieder auf die Stärken unseres Landes zu bauen. Nur so werden wir die großen Themen, die vor uns liegen, angehen und lösen können.

Danke für das Gespräch.