Dr. Michael Ausserwinkler

Michael AusserwinklerDr. Michael Ausserwinkler war Vizebürgermeister von Klagenfurt, österreichischer Gesundheits-minister und Landeshauptmann-Stellvertreter in Kärnten. Mit vielen Vorschlägen war er seiner Zeit voraus. Als verständnisvoller Arzt kann er heute hie und da schmunzeln, wie viele seiner Ideen später doch in die Umsetzung gekommen sind.

Vordenker und Zuhörer

Das Berufsprestige des Arztes ist deutlich besser als das des Politikers. Wie hat sich das beim Einstieg in die erste Reihe ausgewirkt?

Rückblickend muss ich gestehen, dass ich doch extrem überrascht war, wie unterschiedlich diese zwei Berufsbilder sind. Und das, obwohl ich sozusagen genetisch vorgeprägt gewesen bin. Mein Vater war ja lange Bürgermeister von Klagenfurt. Also war mir das politische Umfeld nicht ganz unbekannt.

Du warst ein Gesundheitsminister mit Visionen. Was war dein Rezept zur Verwirklichung?

Ich habe mir immer Partner gesucht. Zumeistdie Bevölkerung und die Medien. Zudem hatte ich offensichtlich kein schlechtes Gespür für die richtigen Themen.

Apropos Medien: Wie ist es dir gelungen, komplexe Gesundheitsthemen ins richtige Scheinwerferlicht zu rücken?

Es war so, dass es Bereiche gab, von denen ich wusste, dass sie für die Öffentlichkeit interessant sind, und die habe ich dann auch entsprechend positioniert. Beispielsweise die Themen Aids oder Tabakgesetz.

An zwei Aufmacher kann ich mich noch besonders gut erinnern: Wie du mit der Schere einen Glimmstängel durchschneidest und die Schlagzeile als Kanzlerreserve…

Die Positionierung als Kanzlerreserve war für mich eine sehr unangenehme und gefährliche. Ich habe am nächsten Tag, nachdem diese Schlagzeile in irgendeiner Wochenzeitschrift war, den kalten Wind gespürt aus mehreren Ecken der SPÖ.

Dass man ab einer bestimmten Ebene der Hierarchie wenig bis gar kein realistisches Feedback bekommt, ist in der Politik besonders problematisch. Wie hast du es geschafft, am sprichwörtlichen Boden zu bleiben?

Ich habe den Wert kritischer Geister immer geschätzt. Auch und gerade als Kulturreferent in Kärnten. Darüber hinaus habe ich mir aus meiner Zeit als junger Arzt einen Freundeskreis erhalten, von dem ich mir ein ehrliches Feedback erwarten konnte.

Vergleicht man Politik und Wirtschaft beziehungsweise Freiberufler: gibt es da Gemeinsamkeiten?

Du musst als Freiberufler permanent Entscheidungen treffen, die große Konsequenzen haben. Wenn man das gewohnt ist, wenn man das gelernt hat, tut man sich auch leichter in der Politik. Ich musste als junger Arzt auf der Intensivstation schlagartig Entscheidung treffen und Prioritäten setzen. Auch das hat mir später sehr geholfen.

Du giltst als begnadeter Zuhörer. Von denen laufen in der Politik nicht allzu viele herum…

Das Zuhören führt dazu, dass man lernt. Und gerade die Politik hat ein permanenter Lernprozess zu sein. Denn jemand, der nicht mehr lernt, bleibt stehen. Das ist mir Gott sei Dank nie passiert.

Über Jahrzehnte mit Druck und Belastungen umzugehen, wie schafft man das?

Erstens muss einem der Beruf Spaß machen. Und zweitens muss man einen Ausgleich suchen. Bei mir war das immer der Sport. Laufen und Radfahren. In meiner schwersten Zeit als Landesparteiobmann habe ich sogar den Venedig-Marathon gemacht, um mich abreagieren zu können.

Ein gesellschaftliches Marathon-Thema ist der Unterschied zwischen den Geschlechtern, auch was den Zugang zur Macht betrifft…

Ich habe sehr große Frauen in der Politik kennengelernt. Beispielsweise erinnere ich mich an viele nächtliche Diskussionen mit Johanna Dohnal. Wir hatten sehr viele Gemeinsamkeiten, aber auch zwei, drei Themen, die wir anders gesehen haben. Unter anderem das Rauchen. In der Landesregierung habe ichjedenfallsdarauf geachtet, dass die SPÖ mit einer Frau vertreten war, auch wenn es andere Überlegungen in der Partei gegeben hat.

Was waren aus heutiger Sicht entscheidende Durchbrüche in deiner Karriere?

In der Kommunalpolitik war es der Ausbau von Kindergartenplätzen. Auf der Bundesebene sicherlich das Tabakgesetz. Dazu kam die Drei-Länder-Olympiabewerbung mit Italien, Slowenien und Kärnten, auchals Vehikel, um aus dem rechten Eck herauszukommen. Ich konnte mit Franz Klammer durch das Land ziehen, und sein Spruch: „Mein Großvater und der Großvater vom Bojan Krizaj, einem slowenischen Skiläufer, haben noch gegeneinander gekämpft. Jetzt möchte ich mit ihm gemeinsam Olympische Spiele machen“, hat mehr an Öffnung gebracht als viele politische Bekenntnisse oderintellektuelle Diskussionen zusammen.

Das Ende einer Politikerkarriere fälltnur noch selten mit dem gesetzlichen Pensionsalter zusammen. Wie gelingen gute Übergänge?

Man kann sich auf seinen Übergang eigentlich nicht vorbereiten. Und vor allem sollte man das nicht permanent tun. Mir war es eine große Hilfe, einen Beruf zu haben und Abstand zu bekommen. Die Zeit, die ich nach meinem Ausscheiden aus der Politik in Kalifornien verbracht habe, hat es mir erleichtert, den Schritt zurück ins zivile Berufsleben zu gehen.

Die war notwendig?

Die war unbedingt notwendig. Ich hätte nicht aus der Landesregierungunmittelbar in eine Oberarztposition in ein Kärntner Krankenhaus wechseln können. In diesem Zusammenhang ist eines ganz wichtig: Man darf sich als Person dem politischen Amt nicht unterordnen. Man muss eine Eigenpersönlichkeit bleiben, der die Lobhudelei nach Ende der politischen Karriere nicht abgeht.

Welche Schlagzeile würdest du dir zu deinem runden Geburtstag wünschen?

Ich habe immer versucht, neue Felder zu beschreiten und nicht auf ausgetretenen Pfaden unterwegs zu sein. Deshalb würde ich den Titel Vordenker als angemessene Ehre empfinden.

Zum Abschluss darf ich noch um ein kurzes Resümee ersuchen…

Macht ist für das Vorankommen in Politik und Wirtschaft unabdingbar. Aber wenn man meint, ausschließlich mit Macht etwas durchsetzen zu müssen, ohne in den Dialog zu gehen, dann wird man irgendwann einmal nichts mehr weiterbringen.

Danke für das Gespräch.