Dkfm. Ferdinand Lacina

Ferdinand LacinaFerdinand Lacina war Wirtschaftsexperte, Mitarbeiter Bruno Kreiskys, später Staatssekretär, Minister für öffentliche Wirtschaft und schließlich Finanzminister. Er hat sich nur ungern verkaufen lassen und war vielleicht gerade deshalb ein beliebter und vertrauenswürdiger Spitzenpolitiker.

„Ich habe mich nur ungern verkaufen lassen“

Wie hat deine politische Karriere begonnen?

Ich war geprägt von den Erfahrungen meiner Elterngeneration mit Arbeitslosigkeit, Diktatur und Faschismus, die ich in eine wirtschaftspolitische Tätigkeit einfließen lassen wollte, hatte aber nie vor, Politiker zu werden. Das ist eigentlich zufällig gekommen. Ich bin nach langen Jahren in der Arbeiterkammer von der ÖIAG ins Kabinett von Bruno Kreisky berufen worden. Nachdem kurz vor Ende der Legislaturperiode der damalige Staatssekretär im Bundeskanzleramt überraschend verstorben ist, habe ich auf Wunsch Kreiskys dessen Platz eingenommen. Und unter Bundeskanzler Fred Sinowatz bin ich schließlich zum Minister aufgestiegen.

Die Zusammenarbeit mit Kreisky war sicher faszinierend…

Ich erinnere mich an ihn als auch unter Druck ungeheuer angenehmen Chef, von dem man täglich lernen konnte. Es war ein Vergnügen auf unseren gemeinsamen Dienstreisen seinen Geschichten über die Partei und die Österreichische Republik zuzuhören.

Eine Machtposition zu erreichen ist das eine, etwas zu bewegen das andere…

Dazu braucht es möglichst gute Mitarbeiter, die einem auf Augenhöhe begegnen. Sehr wichtig sind zudem Gesprächskultur und -bereitschaft. Man muss auch zuhören können.

Ständige Zuhörer und -seher der Politik sind ja die Medien…

Ich habe immer versucht, mich nicht allzu sehr in den Vordergrund zu spielen. Das Bad in der Menge habe ich nicht gebraucht. Überhaupt habe ich mich nur sehr ungern verkaufen lassen. Die Kommunikation nach außen war für mich ganz klar der Part des Bundeskanzlers und Parteivorsitzenden. Letzten Endes habe ich mir dadurch auch eine gewisse Unabhängigkeit für die Zeit nach der Politik bewahrt.

Wie bist du mit dem enormen Druck und den Belastungen fertig geworden?

Ich habe wenig aber immer gut geschlafen. Mein die Arbeit betreffend reines Gewissen war sozusagen ein sanftes Ruhekissen. Auch Humor war für mich immer ein wichtiges Ventil.

Wie hast du dir das Gespür für die Menschen bewahrt?

Erstens habe ich auch als Minister ein einigermaßen normales Leben geführt, bin zum Beispiel regelmäßig mit der U-Bahn gefahren. Und zweitens gab es ein paar Journalisten, deren Meinung mir sehr wichtig war, ohne dass ich mit ihnen verhabert gewesen wäre, wie man so schön sagt.

Wirtschaft und Politik; mehr Gemeinsamkeiten oder Unterschiede?

In der Wirtschaft ist Teamarbeit besser möglich. Als Regierungsmitglied ist man eher auf seine Mitarbeiter angewiesen als auf seine Kollegen. Ausgenommen der Regierungschef vielleicht.

Ist der weibliche Zugang zu Macht ein anderer als der männliche?

Frauen haben es in der Politik wesentlich schwerer als Männer. Das beginnt bei der überkritischen Betrachtung des Aussehens und endet bei der Stimmlage. Meiner Erfahrung nach sind Politikerinnen auch mit viel mehr Aggressionen konfrontiert. Quoten sind für mich deshalb unumgänglich.

Gab es im Lauf deiner politischen Karriere Momente, in denen du das Gefühl hattest, einen wirklichen Durchbruch geschafft zu haben?

Ein derartiges Gefühl sollte wegen der dauernden Kompromisse nie so recht aufkommen. Selbst bei der Steuerreform 1987/1988 habe ich nicht alles erreicht, was ich wollte. Auch wenn sie von manchen als größte Steuerreform aller Zeiten bezeichnet wurde. Ich persönlich hätte so etwas nie in den Mund genommen.

Immer weniger Politiker gehen in Pension. Wie kann ein guter Übergang gelingen, beispielsweise in die Wirtschaft?

Für mich ist ein politisches Amt eine zeitlich begrenzte Funktion und weniger eine Berufung oder ein Beruf. Berufspolitiker, die vorher nie etwas anders gemacht haben, sind abhängig, und das ist nicht gut für deren Rückgrat. Eine öffentliche Funktion sollte jemanden auch nicht automatisch für andere Aufgaben disqualifizieren, wie es leider häufig der Fall ist.

Welche geopolitischen Highlights fallen dir rückblickend ein?

Der Zerfall der Sowjetunion, die Überwindung der Teilung Europas und der Eintritt Österreichs in die Europäische Union. All das habe ich als Minister hautnah miterlebt.

Was möchtest du Verantwortungsträgern von morgen mit auf den Weg geben?

Den vielzitierten Spruch von Max Weber, wonach Politik das Bohren harter Bretter ist. Und dass sie die Bedeutung eines Amtes nie mit der Bedeutung des Menschen, der dahinter steht, verwechseln dürfen.

Zum Abschluss darf ich dich um ein Resümee ersuchen.

Dass man in wirtschaftlichen und politischen Spitzenfunktionen einen relativ breiten Hintergrund haben und sich immer eine gewisse Unabhängigkeit bewahren sollte.

Danke für das Gespräch.