Helmut Manzenreiter
Helmut Manzenreiter war 28 Jahre Bürgermeister der Stadt Villach und 30 Jahre Mitglied der Stadtregierung. Mit diesem langen Atem hat er alle Rekorde gebrochen und durch enormen Gestaltungswillen „seine“ Stadt im Süden Österreichs zum Vorzeigemodell gemacht. Zum runden Geburtstag finden Sie hier sein Resümee über die Vielfalt der Herausforderungen in einer politischen Spitzenposition.
„Es gibt viele Wege. Versuche nicht, den leichtesten zu gehen“
Du warst vor deiner politischen Karriere bei der ÖBB. Wie hast du es geschafft, ganz nach vorne zu kommen; zur roten Lokomotive zu werden, sozusagen?
Meine frühe linke Sozialisierung und ein fast schon angeborener Pragmatismus waren die perfekte Mischung für Villach, wo die Sozialdemokratie ja immer schon eine bedeutende Rolle gespielt hat. Im Jahr 1987 hat mich mein Vorgänger Dr. Leopold Hrazdil als Nachfolger vorgeschlagen. Und nach einer parteiinternen Stichwahl wurde ich dann Bürgermeister.
Und du solltest es 28 Jahre lang bleiben. Wie ist es dir gelungen, diese Machtposition nach und nach zu festigen, um dann auch in die Phase der Umsetzung und Gestaltung zu kommen?
Man muss etwas wollen und dazu stehen, auch wenn es Gewitter gibt. Das ist für jede politische Führungsaufgabe notwendig. Die Menschen müssen sich verlassen können, dass auch in stürmischen Zeiten der Mann, der da vorne steht, oder die Frau, die da vorne steht, nicht ein Fähnchen im Wind ist. Und mit Menschen meine ich nicht nur die Bürgerinnen und Bürger, sondern auch die Mitarbeiter und das Team, die man zur Umsetzung und Gestaltung braucht.
Loyalität gilt also nicht nur nach oben, sondern auch nach unten?
Das ist eine Grundvoraussetzung. Ich habe bei meiner Schlussansprache vor führenden Mitarbeitern des Rathauses gesagt: Ich bedanke mich, dass ich so oft in der Sonne stehen konnte für Leistungen, die andere erbracht haben. Im Gegenzug habe ich meine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auch nie im Regen stehen lassen. Selbst bei Blitz und Donner nicht.
In der Politik braucht man das Scheinwerferlicht, um sich zu profilieren. Wie gelang dir Wirkung in den Medien; noch dazu über Jahrzehnte?
Den notwendigen Bekanntheitsgrad erreicht man am besten über Konfliktthemen. Ich habe hier mit dem ehemaligen Landeshauptmann Dr. Jörg Haider einen guten Reibebaum gehabt, mit dem ich inhaltlich doch kräftige Auseinandersetzungen führen konnte. Das hat Publizität gebracht. Darüber hinaus habe ich mich nach Möglichkeit um ein gutes und korrektes Verhältnis zu Journalisten bemüht. Bei Medienauftritten war ich gut vorbereitet und habe nichts dem Zufall überlassen. Außerdem habe ich immer großen Wert auf Authentizität gelegt.
Ein politischer Job über Jahrzehnte ist in körperlicher und geistiger Hinsicht eine Extrembelastung. Wie bist du damit fertig geworden?
Ich hatte immer eine politische Mission, aus der ich mental Kraft geschöpft habe. Körperlich habe ich mich mit Sport fit gehalten, vorzugsweise Bergsteigen, Wandern und Laufen. Und nach Wahlen wurde eine Auszeit zur Tradition. Unter anderem war ich zwei Mal vier Wochen lang auf dem Jakobsweg unterwegs.
Eine Facette der Politik ist, dass man wenig bis kein ehrliches Feedback erhält, dass die Schulterklopfer überwiegen. Wie bist du zu realistischen Rückmeldungen gekommen?
Ich habe mich bei der Auswahl meines Teams immer sehr auf mein Gespür verlassen. Und bis auf ein paar Ausnahmen hat sich dieses Gespür auch als richtig erwiesen. Vor allem im fachlichen Bereich ist man ja auf Berater angewiesen, denen man vertrauen kann und letzten Endes auch muss.
Dein Name steht für wirtschaftliche Dynamik. Politik und Wirtschaft: Was macht den Unterschied aus? Welchen Beitrag kann die Politik heute noch leisten?
Ich habe das Selbstbewusstsein, zu sagen, dass Politik schwieriger ist als Management. Vielfältiger, unvorhersehbarer und irrationaler. Nicht nur ein Produkt und ein Markt. Die Politik hat die richtigen Rahmenbedingungen zu schaffen. Dazu gehören Standortqualität, Verlässlichkeit und ein entsprechendes Bildungs- und Kulturangebot. Leider hat die Globalisierung viele Unternehmen zu vaterlandslosen Gesellen gemacht. Da sind vermeintliche Kleinigkeiten oft entscheidend. Villach hat beispielsweise einmal eine Jazzszene gebraucht, weil mir der damalige Infineon-Manager Peter Bailey gesagt hat: „Ich habe so viele Freaks auf dem Gebiet. Die wollen das.“
Apropos Selbstbewusstsein: Haben Frauen und Männer in Spitzenpositionen einen ähnlichen oder unterschiedlichen Zugang zu Macht?
Ich habe da eine klare Meinung: Es lässt sich nicht nach Frauen und Männern unterscheiden, sondern nach Leuten, die etwas können oder nicht. In meinem politischen Einflussbereich habe ich immer schon auf 50/50 Wert gelegt. Und mittlerweile ist das auch vielfach gegeben. Je weiter es allerdings auf die so genannte Basis zugeht, desto mehr verändert sich dieses Verhältnis zu Gunsten der Männer. Ich persönlich würde mir mehr engagierte Frauen in der Politik wünschen.
Du konntest noch als Politiker in Pension gehen. Zunehmend wird jedoch nach der Politik ein berufliches Dasein gebraucht. Wie kann da ein guter Übergang gelingen?
Dazu braucht es ein Umdenken der öffentlichen Meinung, insbesondere der Medien. Ein Politiker, der aufhört oder aufhören muss, wird in Österreich leider häufig als Versager abgestempelt, obwohl er wahrscheinlich in anderen Bereichen durchaus einen guten Job machen kann beziehungsweise für seinen Rücktritt möglicherweise gar nicht verantwortlich ist. Dieser Reflex muss aufhören. Politik auf Zeit sollte eine faire Chance bekommen.
Wenn man deine politische Arbeit anlässlich deines runden Geburtstages auf eine Schlagzeile reduzieren müsste: Mit welchem Titel könntest du ganz gut leben?
Es gibt viele Wege. Versuche nicht, den leichtesten zu gehen.
Wir sind am Ende unseres vielfältigen Gesprächs angelangt. Ich möchte dich deshalb um ein Resümee ersuchen.
Du hast das Wort vielfältig in den Mund genommen. Ich möchte also abschließend junge Menschen ermutigen, politische Funktionen zu übernehmen, weil es in keinem anderen Job eine derartige Vielfalt an Einblicken und Herausforderungen gibt. Da ist die Politik einzigartig. Einzigartig, weil man es mit Menschen zu tun hat. Und mit deren Vielfalt an Interessen, Fähigkeiten und Charakteren.
Danke für das Gespräch.